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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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Hörnern, die von Felsspitze zu Felsspitze springen. Ich versuch sie zu berühren. Meine Hände gehen mitten durch sie durch und berühren die kalte Wand.
    Wir gucken runter auf gewaltige Flüsse, gehen tiefer runter zu glitzernden klaren Seen, wo Fische springen. Große Wälder mit grünen Bäumen. Dann Blau. Blendendes Blau, und der Sonnenschein tanzt drauf. Wasser. Wasser. Endloses Wasser. Kein Fluss. Kein See. Was anderes.
    »Ist das das Große Wasser?«, frag ich. Ich steh jetzt bei DeMalo, mitten im Raum.
    »Ja«, sagt er. »Der Ozean.«
    Wellen brausen. Riesige Fische, glatt und schwarz mit weißen Bäuchen, springen hoch und klatschen zurück aufs Wasser. Kleinere, grau und geschmeidig, brechen durch die Wasseroberfläche und springen – sechs auf einmal – einfach aus Freude am Freisein und Schwimmen. Dann sind wir unter Wasser. Hunderte von Fischen schwimmen zusammen. Ganz schnell. Schwimmen hierhin, dann dahin. Andere Arten von Schwimmtieren. In allen Größen und Formen und Farben.
    Ein paar von den Verwesern sitzen still auf dem Boden. Andere gehen durch den Raum. Ich dreh mich um und um und um. Ich schnapp nach Luft. Schrei auf bei einem wunderbaren Anblick nach dem anderen. Ich kann das gar nicht alles in mich aufnehmen. Mein Herz rast. Als würde ich rennen.
    »Was ist das?«, frag ich DeMalo. »Wo ist das? Ich will dahin!«
    »Das ist unsere Welt«, sagt er. »So wie sie früher einmal war.«
    Wir sind wieder an Land, fliegen über gewaltige Ebenen. Tierherden galoppieren unten vorbei. Viele Arten von Springern und Pferden. Gefleckte mit langen Hälsen, schwarzweiße, gestreifte. Das Donnern ihrer Hufe, der Staub, den sie aufwirbeln. Riesige langsame graue Tiere tröten mit ihren langen Nasen. Große Katzen brüllen und jagen. Schakale schnattern und reißen Fleisch aus toten Tieren. Vögel in allen Farben kreischen und schreien, fliegen in tänzelnden übermütigen Schwärmen in die Luft. Tiere mit komischen Gesichtern hängen an ihren langen Schwänzen von Bäumen runter, ihre Jungen klammern sich an ihnen fest. Große Wasserfälle tosen. Bäume. Blumen. Schnee. Eis. Insekten. Eidechsen. Schmetterlinge. Wunderbare Tiere, groß und klein.
    Wir fliegen zu Städten. Am Wasser. An Land. Die untergegangenen Städte aus der alten Welt. Ihre hohen Wolkenkratzerhäuser. Geheimnisvolle Maschinen. So viele Menschen. Sie gehen und essen und lachen und spielen und tanzen. Fahren in Autos und auf Zweirädern wie dem, das Em am Silverlake gehabt hat. Sie fliegen in ihren Flugmaschinen, die ich gesehen hab, als ich übers Sandmeer gezogen bin.
    »Pa hat recht gehabt«, flüster ich. »Sie sind durch die Luft geflogen.«
    Wir fliegen immer höher. Höher als irgendein Vogel fliegen kann, bis wir das ungeheure Wunder von Erde und Himmel zurücklassen.
    Sterne kommen raus, überall um uns rum. An der Decke, an den Wänden und unter unseren Füßen. Dann schwebt an einer Wand eine kleine blaue Kugel in einem See von Sternen. Auf der blauen Kugel sind grüne und weiße Flecken.
    Die Musik ist jetzt langsam. Leise. Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich weine nicht. Aber ich kann die Tränen anscheinend nicht zurückhalten.
    Dann verblassen die Sterne einer nach dem anderen. Die kleine blaue Kugel wird auch blasser. Die Musik hört auf. Und am Ende sind wir wieder im Dunkeln. Und es ist wieder still.

    I ch spür, wie DeMalo aus dem Raum schlüpft. Als die Tonton und die Verweser ihre Laternen anzünden, sagt keiner ein Wort. Es wär nicht richtig.
    Wir gehen durch die unterirdischen Räume zurück, die Stufen rauf und nach draußen. Als wir ins helle Morgenlicht kommen, kneif ich die Augen zusammen. Einer der Tonton macht eine Kette vor die rostige Tür und zieht die Brombeerranken wieder davor.
    DeMalo wartet auf der Wiese auf uns. Die Verweser setzen sich zu seinen Füßen auf den Boden. Ich stell mich ein Stück abseits hin. Die Morgenbrise weht frisch und mild. Ich lass sie meine Tränen trocknen. Wir schweigen ein Weilchen. In mir drin ist ein tiefer schwerer Schmerz.
    Irgendwann sagt DeMalo: »Das war unsere Mutter Erde. Unser Zuhause. Bevor die Abwracker sie verwüstet haben. Sie entweiht haben. Bevor sie über jeden Zentimeter von ihr gekrochen sind, sie ausgebeutet haben, sie ausgeplündert haben, sie ausgeschlachtet haben. Ihren Boden, ihr Wasser und ihre Luft vergiftet haben. Hättet ihr euch eine solche Schönheit vorstellen können? Es scheint unmöglich, nicht wahr, dass solche Wunder der Alltag

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