Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
mit meinen Sorgen belasten. Er hat es schon schwer genug. Ich weiß nicht, was ich hab, aber es wird schon vorbeigehen.
»Saba!«, sagt Lugh. »Wie kommt’s, dass du nicht geschossen hast?«
»Ich … ich weiß nicht.«
»Weißt du, was ich glaub?«, fragt er. »Da ist gar kein Sturm gewesen. Da ist kein Windspringer gewesen, und da ist auch kein blauäugiger Wolfshund gewesen, der aus dem Nichts aufgetaucht ist und dir das Leben gerettet hat. Du hast das alles geträumt. Du hast geschlafwandelt.«
»Nein«, sag ich. »Nein.«
»Du bist im Schlaf hierhergeritten, und irgendwie bist du gefallen und hast dich außer Gefecht gesetzt. Während du ohnmächtig gewesen bist und von blauäugigen Wolfshunden und Windhosen geträumt hast, haben die beiden Wölfchen hier und der eine, den ich verjagt hab, dich gewittert und sich um das Fleisch gestritten.«
»Um was für Fleisch?«
»Deins, du Trottel. Ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen, um dir die Haut zu retten. Sonst hätten die dich in Fetzen gerissen, und die Aasgeier würden jetzt an deinen Knochen picken.«
Ich guck zum Himmel. Tatsache, die großen Totenfresser kreisen schon über den Wolfshunden. »Nein«, sag ich, »so ist das nicht gewesen, Lugh, ich schwör, es ist Tracker gewesen, der –«
»Halt die Klappe! Halt einfach die Klappe!«, platzt er raus. »Verdammt nochmal, Saba, gib Ruh und hör auf, mich anzulügen!«
Er ist erhitzt. Sein Gesicht ist vor Wut dunkelrot angelaufen. Der kleine Muskel an seinem Kiefer – der, den Emmi seinen Wutmuskel nennt – ist angeschwollen und zuckt. Das passiert in letzter Zeit oft. Diese blitzartige Wut.
»Ich lüge nicht«, sag ich.
»Tja, die Wahrheit sagst du mir jedenfalls nicht.«
»Was? Sagst du mir etwa die Wahrheit?«, frag ich.
»Herrgott, Saba.«
Lange starren wir uns an. Die Erschöpfung hat tiefe Falten in sein Gesicht gegraben. Unter den Augen hat er dunkle Ringe. Plötzlich sacken seine Schultern nach unten. Seine Wut verraucht. So schnell, wie sie kommt, ist sie wieder weg.
»Was soll ich bloß mit dir machen?«, fragt er. Er legt den Arm um meinen Hals und zieht mich an sich. Wir lehnen die Stirnen aneinander. »Tut mir leid«, sagt er. »Tut mir leid, ich … ich will bloß, dass alles wieder so wird wie früher. Ich will bloß, dass wir wieder wir selbst sind, du und ich.«
»Ich auch«, flüster ich.
»Du stinkst«, sagt er.
»Ich weiß.«
»Nein, ich meine, du stinkst wirklich übel. Das ist mir zu viel.« Er schiebt mich weg. »Los, schneid ein bisschen Muskelfleisch von einem der Wölfchen ab«, sagt er. »Ein bisschen was kochen wir heute Abend, den Rest lassen wir im Wind trocknen.«
Hermes und Rip warten in sicherer Entfernung von den Wolfshunden auf uns. Während ich die Aasgeier mit Steinen vertreib und dann einen der Wolfshunde in Stücke schneid, sieht Lugh nach den Pferden, prüft Zaumzeug, Gebiss und Zügel und die Matten aus Rohrkolbenblättern, die sie auf dem Rücken haben.
»Wir müssen einfach weg von hier«, sag ich. »Die Gegend macht uns alle fertig. Ist Bucks Bein so weit, dass wir weiterziehen können?«
»Ich riskier nicht ein gutes Pferd, bloß weil du’s nicht erwarten kannst, Jack zu treffen.«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Brauchst du auch nicht. Ich weiß, wie du’s meinst.«
»Weißt du nicht«, sag ich.
Hitze kriecht mir den Hals hoch.
»Ach, ja? Und wieso wirst du dann rot? Ich schwör dir, du … bist besessen von ihm … ihr alle.« Lugh verstellt seine Stimme, jetzt klingt sie dünn und albern: »Weißt du noch, als Jack das und das gesagt hat? Hab ich dir erzählt, wie Jack dies getan hat? Ich kann den Namen nicht mehr hören.«
»Man könnte glauben, du bist eifersüchtig.«
»Ich will doch bloß nicht, dass er dir wehtut. Ich hab’s dir schon tausend Mal gesagt, Saba, er wird nicht da sein. Er wird nicht auftauchen am Großen Wasser. Jack ist längst über alle Berge. Ein Kerl wie der … der wittert was Neues, und weg ist er. Der hat nur sein eigenes Wohl im Sinn, das sieht man an seinen Augen. Wenn er erst mal hat, was er will, zieht er weiter.«
»So ist Jack nicht.« Jetzt fühlen meine Wangen sich glühend heiß an.
»Was ist denn?«, fragt Lugh. »Zu nah an der Wahrheit? Was hat Jack von dir gewollt? Was hast du ihm gegeben?«
»Halt den Mund.«
Er lässt die Pferde in Ruh. Mustert mich. »Hast du bei ihm gelegen? Hast du ihn damit dafür bezahlt, dass er hilft, mich zu finden?«
Ich schnapp nach Luft. Spring
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