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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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auf und guck ihn direkt an. »Das nimmst du zurück!«
    »Ich hab gesehen, wie er dich anguckt. Wie du ihn anguckst.«
    »Wie ich Leute anguck, geht nur mich was an«, sag ich. »Du hast Jack von Anfang an nicht leiden können, dabei müsstest du ihm dankbar sein.«
    »Da haben wir’s! Die stündliche Erinnerung daran, dass ich Jack was schulde.«
    »Tja, das liegt vielleicht daran, dass du offenbar nicht begreifst, dass du nicht mehr am Leben wärst, wenn er nicht gewesen wär. Keiner von uns. Ich versteh dich nicht, Lugh. Warum bist du nicht dankbar, dass –«
    »Erzähl mir nicht, ich soll dankbar sein!«, brüllt er. Er stürmt zu mir, packt mich an den Armen und schüttelt mich durch. »Ich bin nicht dankbar, hörst du? Ich – will – nicht – dankbar – sein – müssen.«
    Das letzte Wort flüstert er nur noch. Er guckt auf seine Hände, die meine Arme halten. Auf seine Finger, die sich in meine Haut graben. Dann: »Warum hast du zugelassen, dass sie mich mitnehmen? Warum habt ihr sie nicht aufgehalten, du und Pa?«
    »Wir haben’s versucht«, sag ich. »Das weißt du. Sie haben Pa getötet.«
    Er hebt den Kopf. Sein Blick ist so trostlos. So … alt. Es drückt mir das Herz ab.
    »Du hättest mich schneller finden müssen.«
    Angst durchzuckt mich wie ein weißer Blitz. Seine Stimme klingt so tonlos. Hohl.
    »Bitte, Lugh«, flüster ich, »warum erzählst du mir nicht, was in Freedom Fields mit dir passiert ist?«
    »Nichts ist passiert.« Er guckt weg. Lässt meine Arme los. »Wir reiten besser zurück«, sagt er. »Die fragen sich bestimmt schon, wo wir bleiben.«

    S chweigend reiten wir zurück zum Lager. Halten Abstand.
    Mein Kopf ist dicht. Wo die Beule ist, pocht und hämmert es. Meine Augen brennen vor ungeweinten Tränen. Wenn Tränen die Trostlosigkeit in seinem Blick, diese schreckliche Tonlosigkeit in seiner Stimme wegspülen könnten, würde ich bis ans Ende meiner Tage weinen. Aber das können sie nicht. Und ich hab Angst, dass es dafür auch gar nicht genug Tränen gibt. Nicht für ihn. Für keinen von uns.
    Die ganze Zeit, die ich nach ihm gesucht hab, all die Monate, hab ich mir immer dasselbe gesagt. Immer wieder. Wenn ich ihn erst gefunden hab, wenn Lugh und ich erst wieder zusammen sind, werden wir so sein wie früher. So wie wir immer gewesen sind.
    Jetzt weiß ich, dass ich mir was vorgemacht hab. Um weitermachen zu können. Um mich anzutreiben, nach ihm zu suchen. Um weiterkämpfen zu können. Um am Leben bleiben zu können.
    Es ist ein schönes Märchen. Ich wünschte, es wär wahr. Aber das ist es nicht. Denn die Wahrheit ist die: Was passiert, verändert dich. Zum Guten oder Schlechten, du bist für immer verändert. Es gibt da kein Zurück. Egal wie viele Tränen du weinst. Es klingt einfach, aber das ist es nicht.
    Das ist was, was Hopetown mir wie einen Nagel durchs Herz getrieben hat beim ersten Mal, als ich zum Kämpfen in den Käfig gemusst hab.
    Mein ganzes Leben lang ist Lugh mein besseres Ich gewesen. Das Licht zu meiner Dunkelheit. Wir haben uns in Mas Bauch einen Herzschlag geteilt. Das Blut und den Atem unserer Mutter. Wir sind zwei Hälften von einem Ganzen.
    Jetzt kann er mir nicht helfen. Ich kann ihm nicht helfen. Und wir können uns verdammt nochmal auch nicht selbst helfen. Nein, zum ersten Mal ist Lugh nicht der, den ich brauch. Ich brauch Jack.
    Jack.
    Die Sehnsucht nach ihm tut mir in den Knochen weh. Seine Silberaugen, sein schiefes Lächeln, der Geruch seiner warmen Haut, Salbei und Sonne. Aber vor allem, vor allem anderen, sehn ich mich nach seiner Stille. Nach der Stille in seinem Innern. Wie stilles Wasser.
    Lugh irrt sich, was ihn angeht. Er irrt sich von vorn bis hinten. Wenn Jack sagt, er trifft mich am Großen Wasser, dann tut er das. Er hält seine Versprechen. Alles, was ich brauch, ist, ihn wiederzusehen. Mit ihm zusammen zu sein, mit ihm zu reden. Wir werden drüber reden, wir werden über alles reden, und er wird zuhören und mir helfen rauszufinden, wie wir das alles wieder in Ordnung bringen, wie wir alles besser machen können. Wie wir dafür sorgen können, dass es Lugh bessergeht.
    Er wird die Schatten vertreiben. Er wird das Flüstern zum Schweigen bringen. Wenn er die Arme um mich legt, werden die Wunden in meiner Seele heilen.
    Ich brauch bloß Jack.
    Er wird alles in Ordnung bringen.

    W ir sind fast wieder am Lager. Plötzlich entdeckt Lugh was. Er kneift die Augen zusammen und guckt nach Osten, in die Ferne. Ich auch. Eine

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