Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
Auge an. »Ich hab noch nie jemanden gesehen, der es so eilig hatte, in eine Schnapsbude zu kommen. Da muss ein Fest stattfinden, von dem ich nichts weiß.«
Schon ist mein Bolzenschießer oben. An seine Schläfe gedrückt. »Komm mir nicht so«, sag ich.
»Es ist kein Fest«, sagt Emmi. »Wir treffen –«
»Niemand«, sag ich.
»Wir müssen uns bloß beeilen«, sagt Maev, »das ist alles. Wenn wir erst mal da sind, haben wir immer noch einen langen Weg vor uns.«
»Lass den Mann in Ruh«, sagt Lugh. »Wir tun alle, was wir können.«
Ich lass Slim los. »Es wär besser für dich, wenn du uns nicht in die Irre führst«, sag ich.
Slim wedelt sich mit dem Kleid Luft zu. »Ich halte mein Wort, Schwester. Bis es dunkel wird, sind wir am Lost Cause.«
»Dann komm«, sag ich. Und wir ziehen weiter, immer weiter.
Und Lugh guckt immer wieder zu Maev. Sorgt dafür, dass er neben ihr ist, als wir den Wagen aus dem Dreck ziehen. Einmal stolpert sie, und er fängt sie auf. Aber als sie ihm danken will, lässt er ihren Arm fallen wie eine glühende Kohle und beachtet sie dann nicht mehr. Ich seh sie die Stirn runzeln. Ihm verwirrte Blicke zuwerfen. Kein Wunder.
Der Wagen holpert und ruckelt. Die Laternen schaukeln wild. Slim zuckt zusammen, als drinnen Glas klirrt. »Wenn der nicht vorher noch auseinanderfällt, ist’s ein Wunder«, sagt er.
»Hey, Slim«, sagt Emmi, »wie ist das Lost Cause?«
»Man kann wohl sagen, das ist ein quirliges Lokal«, sagt er. »Harter Fusel, derbes Essen und verruchte Frauen.«
»Du meinst Huren«, sagt Emmi.
»Nein, das meint er nicht«, sagt Tommo.
»Doch, das meint er«, sagt sie. »Jedenfalls kenn ich jede Menge von denen.«
»Schäm dich!«, sagt Lugh.
»Das ist mir eine!« Slim gackert. »Ja, wirklich, ich rede von flotten Mädchen, die wissen, wie man einen Mann in Schwung bringt. Wenn ich euch einen Rat geben darf, Jungs, versucht es nicht bei Molly. Ihr werdet in Versuchung kommen – Mannomann, sie ist eine Schönheit, wie man sie selten sieht –, aber wenn ihr euch an sie ranmacht, dann auf eigene Gefahr. Da ist mal dieser freche Kerl gewesen – haha! –, der hat durchs Schlüsselloch zu Molly rein gelinst, wie sie gerade rot und rosig in ihrem Bad gelegen hat … O Jungs, ich bete, dass das mein letzter Anblick auf Erden wird, ein kurviges Mädel in einer Badewanne. Jedenfalls, da ist er, der Schlingel, und linst auf Mollys Spezialitäten, und bevor er weiß, wie ihm wird, ist er rückwärts auf sein Pferd gebunden, hat die Hose überm Kopf, und der nächste Halt ist Tillibunk Junction! Haha!«
Tommo runzelt die Stirn und guckt Slim bitterböse an. »Geschieht ihm recht. Er hätte nicht gucken dürfen.«
»Ach, er konnte nicht anders«, sagt Slim. »Du wirst schon sehen, wenn du Molly erst kennenlernst.«
»Red nicht so über sie!«, sagt Tommo.
»Du beschämst mich, junger Mann, du hast völlig recht«, sagt Slim. »Molly ist eine ehrbare, sittsam lebende Frau. Ihre Mädchen zum Glück nicht! Haha!«
Während wir Moses und den Wagen den nächsten holprigen Hang hochschieben und -ziehen, denk ich nach. Darüber, dass Slim Molly kennt. Dass Lilith und Meg im Lager am Snake River sind. Ich frag mich, ob Slim mal Jack getroffen hat. Wenn ich mir diese ganzen Zufälle so anguck – wie eins zum anderen gekommen ist und mich hierhergeführt hat, fast so, wie die Nacht auf den Tag folgt –, kommt’s mir fast vor, als ob das alles so vorherbestimmt wär. Und das erinnert mich an das, was Auriel gesagt hat: dass wir alle unsere Rolle spielen müssen. Dass für mich alle Straßen, alle meine Entscheidungen, am Ende an denselben Ort führen.
Vorsehung. Ich wage kaum, das Wort zu denken für den Fall, dass Lugh mich denken hört. Ich weiß nicht. Ob das sein kann? Und spielt das überhaupt eine Rolle? Solang ich Jack find, ist alles in Ordnung. Da hört die Straße für mich auf. Deshalb bin ich hier, deshalb tu ich das alles. Für Jack. Um bei Jack zu sein.
Emmi reißt mich aus meinen Gedanken. »Weißt du, Slim, du bist zu alt, um dich mit Huren rumzutreiben. In deinem Alter solltest du eine gute Frau geheiratet und dich niedergelassen haben.«
»Teufel auch«, sagt Slim, »kein anständiges Mädchen würd sich mit einem alten Knochen wie mir einlassen.«
»Warum denn nicht? Es heißt, es gibt für jeden jemand.«
»Ob du’s glaubst oder nicht, Kleine, als ich noch jung und knackig war, war ich ein fescher Bursche«, sagt er. »Ich hab eine schöne
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