Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
Vom Netzwerk:
männliche Figur gehabt. Ich hab Schwung und Charme gehabt und … ach, ich hab verteufelt gut ausgesehen, ungelogen. Die Frauen sind mir in Scharen zugelaufen, hilflose Motten in meiner tödlichen Flamme.«
    »Na, siehst du«, sagt Em. »Du musst dich bloß ein bisschen anstrengen.«
    »Wo ist die gottverdammte Straße?«, frag ich.
    »Wir müssten jetzt jeden Augenblick – ah! Da sind wir!«, sagt Slim. »Was hab ich euch gesagt?« Plötzlich holpern wir auf einen breiten Pfad, der unseren Weg kreuzt, von Ost nach West. »Da!«, sagt Slim. »Da ist er! Der Sturmgürtel!« Er zeigt nach Osten.
    In etwa dreißig Meilen Entfernung, schnurgeradeaus, hängt der Himmel tief und braun über dem Horizont. Gegabelte Blitze zucken vom Himmel. Ich seh ein paar Berge. Darüber hängt ein dicker, schmutzig-brauner Wolkenklumpen wie ein düsterer Deckel.
    »Wo ist das Lost Cause?«, fragt Em.
    »Von hier aus kann man’s nicht sehen«, sagt Slim. »Über den Damm, durch eine Lücke zwischen den Bergen da, und da ist es, genau mittendrin. Die ganze Gegend da ist flach, offen und leer, bis auf das Lost Cause.« Er beugt sich zu Em und lässt seine Stimme ganz geheimnisvoll klingen. »Da steht es«, sagt er, »allein an der Kreuzung, und die ganze Nacht durch heulen und klagen Windhexen drum rum. Klopfen an die Fenster, kratzen an den Türen mit ihren langen Hexenkrallen, lasst mich rein, lasst mich rein. Hast du Angst vor Hexen, Kleine?«
    Em fallen fast die Augen aus dem Kopf. »Ich weiß nicht«, flüstert sie. »Ich hab noch nie eine gesehen.«
    »Die braune Wolke da ist Sulfat«, sagt er, wieder mit normaler Stimme. »Das regnet jeden Tag aufs Lost Cause runter.«
    »Beeilen wir uns«, sag ich. »Es ist nicht weit, und die Straße ist gut.«
    Slim runzelt die Stirn. Guckt den Weg rauf und runter. »Viel zu gut für meinen Geschmack«, sagt er. »Da hat jemand dran gearbeitet. Sie ist freigeräumt. Sie haben sie verbreitert, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin.«
    »Die Tonton?«, fragt Lugh.
    »Straßen sind Sklavenarbeit«, sagt Slim, »nicht Tonton-Arbeit. Jedenfalls sagt mir das, dass hier mehr Verkehr ist. Mehr Leute ziehen hier durch. Fahrt lieber alle hinten im Wagen, bis wir bei Molly sind. Wenn wir jemanden treffen, kann ich das Pferd erklären, aber nicht euch alle ohne Kennzeichnung.«
    »Kommt nicht in Frage«, sag ich. »Was soll dich davon abhalten, irgendwo hinzufahren und uns auszuliefern?«
    »Schau«, sagt er, »das Kompendalorium ist früher der Tierwagen von einer Schaustellertruppe gewesen. In den Wänden sind Belüftungsgitter, ihr könnt also sehen, was passiert. Erschießt mich, wenn euch nicht gefällt, was ihr seht.«
    Wir gucken uns an. Lugh, Maev, Tommo, Emmi und ich. Maev schüttelt kaum merklich den Kopf. Trau ihm nicht.
    »Ich bleib neben dir«, sag ich. »Die anderen klettern hinten rein.«
    »Hast du mich nicht gehört?«, fragt Slim. »Ich hab gesagt, es ist zu gefährlich.«
    »Und ich hab gesagt, ich bleib neben dir«, sag ich. »Der Wolfshund auch.«
    Während ich Hermes hinten am Wagen anbinde, klettern die anderen rein ins warme, stickige Halbdunkel im Kompendalorium und setzen sich ins Stroh. Durch Belüftungsgitter fällt Licht in den Wagen. Oben in jeder Wand ist eins, genau wie Slim gesagt hat.
    Lugh klettert als Letzter rein. »Ich hoffe, da sind keine Flöhe«, sagt er.
    »Egal was passiert«, sagt Slim, »egal was ihr hört, macht kein Geräusch, rührt euch nicht und kommt erst raus, wenn ich es euch sag.« Plötzlich wirkt er wie ein anderer Mensch. Seine Stimme, sein Blick, sogar sein dicker Körper, alles ist wachsam und straff. Er sieht zäh aus. Nicht übel für einen Mann, der ein rosa Kleid trägt.
    »Okay?«, frag ich. Alle nicken.
    Wir machen die Tür hinter ihnen zu. Tracker und ich klettern vorn rauf. Nero landet auf meinem Schoß. Als Slim seinen massigen Körper auf den Bock hievt, schaukelt und knarrt der Wagen. Er gibt Moses einen schnellen Klaps mit den Zügeln, und mit einem Ruck geht’s los.

    J edes Drehen der Räder bringt mich näher zum Sturmgürtel. Zum Lost Cause. Zu Jack. Meine Hand fährt zum Herzstein um meinen Hals. Meine Finger schließen sich um seine kühle Glätte. Bald seh ich Jack. Nach all der Zeit, nach allem, was passiert ist, kann ich’s kaum glauben. Mein Magen hat sich zusammengekrampft. Ich bin nervös. Mir ist heiß und kalt. Ich sehn mich nach seinen Mondlichtaugen. Nach seinem Lächeln, bei dem mir das Herz aufgeht. Nach seinen

Weitere Kostenlose Bücher