Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
ich halt an«, sagt Slim.
»Und ich hab gesagt, fahr weiter!« Ich stoß ihm den Bolzenschießer in die Seite.
Er sieht mir fest in die Augen. »Es dauert nicht lange. Sag nichts. Halt dein Gesicht bedeckt.«
Aus irgendeinem Grund – warum, weiß ich auch nicht – komm ich mir unbeholfen vor unter seinem ruhigen Blick, bei seiner ruhigen Stimme. Komm mir dumm vor. Schwer von Begriff. Als ob mir irgendwie … was entgeht. Aber was mir da entgeht – keine Ahnung.
»Brr, Moses.« Das Kompendalorium hält wieder an. Es knarrt und schaukelt, als Slim absteigt. Tracker und ich springen auch runter. Ich rück mein Halstuch und das Shemag zurecht, damit außer meinen Augen nichts von meinem Gesicht zu sehen ist.
Slim und ich gehen um den Wagen rum und machen die rechte Klappe auf, dann die linke.
»Saba!« Lugh flüstert, aber ich kann ihn durch die Wagenwand hören. »Was ist los?«
»Die Leute auf Billys Land halten uns an«, sag ich.
»Seid still da drin«, sagt Slim. »Rührt euch nicht. Ich werd sie so schnell wie möglich wieder los.«
Die Frau kommt angelaufen. Keine Frau. Noch ein Mädchen. Mit rosigen Wangen, wachen Augen, sauber und ordentlich. Ungefähr sechzehn. Den schwarzen Kreis mit dem Kreuz drin für die Verweser der Erde mitten auf der Stirn. Einen Bolzenschießer in einem Halfter an der Taille.
Sie legt die rechte Faust aufs Herz. »Lang lebe der Wegbereiter!«, sagt sie. Als sie Tracker bemerkt, stockt sie. Er steht neben mir, meine Hand liegt auf seinem Kopf.
»Oh, achte nicht auf ihn«, sagt Slim, »er ist so zahm wie ein Lämmchen.«
Er macht das gleiche Zeichen wie sie – die geballte Faust aufs Herz. Ich mach ihn nach.
»Lang lebe der Wegbereiter«, sagt Slim. »Was kann ich für dich tun?«
»Ich muss ein Kind bekommen.« Sie spricht schnell, leise. »Es dauert schon zu lang. Wenn ich nicht bald in anderen Umständen bin, wird er um eine andere Frau bitten, und sie versklaven mich.« Sie zögert, nur ganz kurz, dann zieht sie eine Silberkette aus der Tasche und gibt sie Slim. »Würdest du das im Tausch dafür nehmen?«, fragt sie. Mit seinem einen Auge guckt Slim sie sich genau an. »Hübsch«, sagt er. »Familienerbstück?«
Stolz richtet das Mädchen sich auf, hebt das Kinn. »Die Erde ist meine Familie«, sagt sie. »Der Wegbereiter hat mich auserwählt, sie zu heilen.«
»Natürlich«, sagt Slim. »Ich hab genau das Richtige. Hm, wo hab ich diese Tinktur hingetan?« Er durchsucht seine Flaschen.
Das Mädchen wirft hastig einen Blick über die Schulter. Der Mann, der den Schulterpflug zieht, ist stehen geblieben. Jetzt kommt er übers Feld auf uns zu.
»Bitte beeil dich«, sagt das Mädchen.
»Ich hab da hinten den Burschen gesehen, den sie an den Baum genagelt haben«, sagt Slim.
»Ach, das Gesindel«, sagt sie. »Eli hat es dabei erwischt, wie es die neue Brücke in Brand stecken wollte. Eli und die Nachtstreife. Vor ungefähr einer Woche.«
»Nachtstreife, ja?«, sagt Slim. »Haben die Leute hier in der Gegend gegen die Ausgangssperre verstoßen?«
Das Mädchen behält Eli die ganze Zeit nervös im Auge. Aber sie plappert weiter, als ob sie froh wär über diese Gelegenheit, sich zu unterhalten. Mich beachtet sie gar nicht.
»Wir haben Ärger gehabt nach Einbruch der Dunkelheit«, sagt sie. »Nicht nur wir, andere Höfe auch. Seit wir hier sind. Verdorbene Brunnen, vermisste Tiere, zerbrochene Pflüge, Brände, alles Mögliche. Letzten Monat ist unser Pferd verschwunden. Deshalb muss Eli auch mit der Hand pflügen. Darum hat er alle zusammengeholt und eine Nachtstreife für unser Gebiet aufgestellt. Bist du sicher, dass du dieses Mittel hast?«
Slim durchsucht seine Schubladen. »Es ist hier irgendwo«, sagt er. »Und ihr meint also, der Bursche da wär der, der euch so viel Ärger gemacht hat?«
»Seit Eli ihn da festgenagelt hat, haben wir keinen Ärger mehr«, sagt sie. »Er sagt, er muss wild im Wald gelebt haben.«
»Hat Eli sich um das … ähm … Gesindel selbst gekümmert?«, fragt Slim.
»Ich hab ein bisschen geholfen.« Sie kichert nervös. »Wir haben wirklich schrecklichen Ärger damit gehabt.«
»Was du nicht sagst«, sagt Slim. »Ah! Hier ist es. Du nimmst zweimal am Tag zwei Tropfen in Wasser. Und nicht nur du, dein … ähm … Gatte auch. Ich will euch nicht zu nahe treten, und du musst verzeihen, wenn ich das sag, aber man braucht zwei, um eins zu machen.«
Er gibt ihr ein kleines braunes Glasfläschchen. Sie schiebt es in die
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