Dustlands - Die Entführung
mich an. Wir können nicht warten. Komm!
Wir galoppieren alle aus dem Stallhof raus und den Hügel hinter dem Palast hoch.
Ich bin die Nachhut. Oben auf dem Hügel guck ich zurück und hoffe, dass Epona uns hart auf den Fersen ist.
Sie ist nicht da. Aber unten im Tal läuft eine Horde Tonton über den Weg von den Feldern zum Palast. Jetzt laufen sie durch den Obstgarten, dann durch die anderen Gärten. Rennen um den Brunnen rum. Und sie jagen jemand.
Epona.
I ch lass mein Pferd anhalten.
Wartet!, schreie ich den anderen zu. Sie haben Epona!
Sie lassen ihre Pferde kehrtmachen und kommen zurück. Von hier oben auf dem Hügel haben wir einen guten Überblick. Aber es gibt auch Bäume, die uns Deckung geben. Wir sind also nicht zu sehen.
Gerade erreicht Epona den Palast.
Ich reite zurück und hol sie, sagt Ike.
Jack packt seine Zügel. Hält ihn auf. Es ist zu spät, sagt er.
Ich beobachte Epona. Das Herz schlägt mir bis zum Hals.
Epona springt an einem Abflussrohr hoch und hält sich fest. Dann klettert sie flink weiter dran hoch. Zwei Tonton klettern ihr hinterher. Sie sind schwerer, nicht so flink wie sie.
Epona ist nicht bewaffnet. Sie muss ihre Armbrust irgendwo verloren haben.
Wir müssen irgendwas tun!, sagt Ash. Wir können sie doch nicht dalassen, die reißen sie in Stücke!
Alle gucken wir uns an. In Ikes und Jacks Augen seh ich, was getan werden muss. Ich nehm meine Armbrust.
Reitet weiter, sag ich. Ich hol euch ein.
Nein, sagt Ash. Nein. O bitte nicht.
Es gibt keine andere Möglichkeit, Ash, sagt Ike.
Jack sagt: Saba, lass mich das doch –
Ich hab gesagt, ich hol euch ein, sag ich.
Sie zögern, gucken sich an. Saba, sagt Ash.
Haut ab!, sag ich.
Sie wenden die Pferde und reiten weiter. Ich zieh einen Pfeil aus dem Köcher und leg ihn auf die Sehne. Meine Hände zittern.
Epona ist jetzt auf dem flachen Dach. Sie läuft hin und her, sucht nach einem Fluchtweg. Aber sie sitzt in der Falle. Die beiden Tonton haben jetzt das obere Ende vom Abwasserrohr erreicht und ziehen sich aufs Dach hoch. Greifen nach ihren Bolzenschießern. Rücken langsam auf sie zu. Unten kommen noch mehr Tonton an. Sie schwärmen aus und umzingeln den Palast. Epona guckt sich um. Sieht die zwei Tonton auf sich zukommen.
Epona guckt hinter sich, als ob da was wär. Dann dreht sie sich wieder um. Sieht mich.
Plötzlich entdeckt Epona mich am Rand der Bäume. Die Zeit bleibt stehen, wie eingefroren. Es gibt nichts und niemand anderen mehr. Nur Epona und mich und meinen Herzschlag.
Poch, poch, poch.
Sie nickt.
Und alles passiert ganz langsam. So langsam, dass ich sehen kann, wie sie blinzelt. Ich kann sehen, wie ihre Lippen sich bewegen, als sie tief durchatmet.
Sie rennt auf mich zu. Breitet die Arme aus und hebt den Kopf. Sie springt.
Die Tränen in meinen Augen lassen alles verschwimmen. Ich wisch sie weg. Heb die Armbrust. Ziel. Epona lächelt. Dann nickt sie.
Sie rennt auf mich zu. Breitet die Arme aus und hebt den Kopf. Sie springt vom Dach. Fliegt durch die Luft. Für einen letzten Augenblick ist sie frei.
Genau da erschieß ich sie.
D ie anderen sind mit Lugh weitergeritten. Ash wartet auf mich.
Die Wolken geben den Mond frei. Ich kann die Tränenspuren auf ihrem Gesicht sehen.
Hawks kümmern sich umeinander, sagt sie. Egal, was das bedeutet. Ich hätte das tun müssen, nicht du. Aber ich … es tut mir leid, Saba. Tut mir leid.
Sie ist wegen mir hier gewesen, sag ich. Ich hab das tun müssen. Es ist richtig, dass ich es getan hab.
D er Himmel klart auf, und der Wind legt sich. Es ist eine wunderschöne klare Mittsommernacht.
Wir reiten flott nach Norden, zu dem Treffpunkt, wo Tommo und Emmi mit Hermes auf uns warten sollen. Wir reiten die ganze Zeit bergab und raus aus den Bergen. Langsam verändert sich der Boden. Er wird trockener, steiniger. Die Bäume sind jetzt kleiner. Zwergkiefern, Wacholder und vereinzelte Pappeln.
Ash und ich haben nicht lange gebraucht, um die anderen einzuholen. Dann haben Jack und ich die Pferde getauscht, damit ich mit Lugh reiten kann.
Er ist noch nicht aufgewacht. Lehnt mit dem Rücken schwer an meiner Brust. Ich spür, wie er ein- und ausatmet. Die Arme tun mir weh, weil ich ihn die ganze Zeit stützen muss.
Lugh ist hier. Ich hab ihn befreit. Er ist in Sicherheit. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Ich hab so oft davon geträumt. Hab für diesen Augenblick gelebt, nur für diesen Augenblick, so lange. Mit so einer kalten Leere in mir, die ganze
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