Dustlands - Die Entführung
meine Schulter. Da wird es völlig still im Kolosseum. Auch wenn ich eine Pechsträhne hab, glauben sie immer noch, dass ich meine Kräfte von ihm hab. Nicht mal für diesen Kampf, für meinen letzten Kampf, sind sie die billigen Plätze auf dem Lichtmast losgeworden. Weil da immer Nero sitzt.
Er hüpft mir auf die Hand. Ich reib ihm den Schnabel, kratze ihn am Kopf. Er schnurrt wie eine Katze, so wie Krähen es eben tun. Bis jetzt ist mir gar nicht klar gewesen, wie sehr ich ihn vermisst hab.
Schon gut, flüster ich ihm zu, guter Junge, Nero.
Er legt den Kopf schräg. Guckt mich mit seinen klugen schwarzen Augen direkt an.
Schon gut, sag ich. Alles wird gut.
Er krächzt. Er weiß, was gut heißt. Er versteht.
Ich heb die Hand, und er fliegt aus dem Käfig. Landet auf seinem Platz auf dem Lichtmast. Die Leute murmeln, murren, zappeln auf ihren Plätzen.
Quietschend geht die Käfigtür wieder auf, und Epona kommt rein.
Das Herz klopft mir bis zum Hals. In meinen Ohren rauscht das Blut.
Wir stellen uns auf. Auge in Auge. Kauern uns hin. Der Wärter schlägt den Gong.
Mein letzter Kampf hat angefangen.
I ch lass Epona das Tempo vorgeben. Lass mich von ihr durch den Käfig jagen, mich in eine Ecke drängen, lass mir von ihr wehtun.
Aber dann springt die rote Hitze an. Ich versuch, sie zurückzudrängen, wegzuschieben, aber sie schießt durch meinen ganzen Körper. Sie übernimmt das Ruder.
Die rote Hitze kennt Maev nicht. Sie weiß nicht, dass sie einen Plan hat. Sie vertraut ihr nicht.
Weil die rote Hitze nichts weiß von Plänen oder Menschen oder Vertrauen. Sie kennt nur eins. Überleben.
Und ich kann sie nicht unterdrücken. Sie ist außer Rand und Band. In die Enge getrieben.
Sie fängt an, gegen Epona zu kämpfen. Sie kämpft um mein Leben.
Was soll das?, fragt Epona und reißt die Augen auf.
Epona ist stark. Sie ist klug. Sie bringt mich an den Rand der Niederlage. Aber ich dräng sie zurück. Ich hab mehr zu verlieren als sie, mit der Aussicht auf den Spießrutenlauf.
Wir kämpfen, bis wir beide blutüberströmt sind, zerschlagen, erschöpft.
Am Ende macht sie einen Fehler. Ich krieg sie am Hals zu fassen, schubs sie gegen die Käfigstangen.
Die Leute drehen durch. Springen auf.
Aus dem Augenwinkel seh ich Maev. An ihrem Gesicht seh ich, dass sie völlig fassungslos ist. Sie winkt. Ihr Mund bewegt sich. Sagt was, was ich nicht hören kann.
Ich hör nur die rote Hitze. Sie brüllt mir zu, ich soll Epona die Luft abdrücken. Meine Hände drücken zu. Warte! Nein! Nein! Ich beiß die Zähne zusammen, stell mir vor, wie ich die rote Hitze mit Schwärze erstick, sie tief unter schwarzes Wasser drück, bis sie keine Luft mehr kriegt. Da ist was … ich weiß, ich muss irgendwas tun oder … mich an was erinnern, aber ich … krieg es nicht zu fassen, kann nicht …
Lugh. Lugh. Ich hätte ihn fast vergessen. Wie kann ich nur?
Ich find dich. Egal wo sie dich hinbringen, ich schwör, ich find dich.
Ich guck hoch. Das Gebrüll der roten Hitze wird leiser. Dann ist es ganz weg, und ich komm wieder zu mir.
Das Verlangen, tief in mir drin, danach, dass mein Herz weiterschlägt, dass ich weiteratme, dieses mächtige Verlangen hätt beinahe gewonnen.
Lugh wartet auf mich. Zählt auf mich. Maev. Der Plan. Er ist meine einzige Hoffnung, hier rauszukommen. Was hab ich mir bloß dabei gedacht?
Ich lass los. Epona fällt mir in die Arme. Ich hör sie nach Luft schnappen.
Tut mir leid, sag ich. Tut mir leid.
Epona hebt den Kopf und fasst sich an den Hals. Sie guckt mich an, völlig verwirrt.
Ich nick. Na los, sag ich. Tu’s.
Und sie tut es. Sie macht mich fertig.
D ie beiden Käfigwärter zerren mich hoch und halten meine Arme fest. Bevor ich weiß, wie mir wird, geh ich aus dem Käfig und steh vor der Menge.
Die Leute sind völlig außer sich vor Wut. Sie wissen verdammt gut, dass ich es drauf angelegt hab. Sie lassen sich nicht gern verladen. Sie buhen und schreien nach meinem Blut, wie eine Meute Wölfe. Die in der Nähe vom Spießrutengang klettern übereinander, boxen und drängeln. Alle wollen den besten Platz kriegen. Alle wollen sie dabei sein beim Töten.
Die rote Hitze ist weg. Mein Magen hat sich zusammengekrampft. Meine Knie zittern. Ich atme schwer, versuch, Luft in meine Lungen zu saugen. Ich hab gedacht, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man Angst hat. Aber so viel Angst hab ich noch nie gehabt. Noch nie.
Ich guck zur ersten Reihe, wo Maev sitzt. Zu den Free Hawks, die am
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