Dustlands - Die Entführung
packt noch mal mein Handgelenk. Zerrt mich zurück an die Gitterstangen. Drückt mir einen kalten Finger oben auf die Wange. Mitten auf meine Geburtsmondtätowierung. Atmet zischend ein.
Was ist das?, fragt er.
Das ist eine … Tätowierung, sag ich.
Das sieht der König selbst. Woher hast du die?
Fieberhaft denk ich nach.
Wo ich herkomme, hat die jeder, sag ich.
Und wo ist das?, fragt er.
Im Osten, sag ich.
Osten, sagt er. Ich verstehe.
Er starrt mich lange an. Die kleinen toten Augen denen von seiner Mutter so ähnlich. Dann lässt er mich los. Tritt zurück und hält sich das Tuch wieder an die Nase.
DeMalo, sagt er, der König wird sich aus diesem Pestloch zurückziehen.
Euer Majestät, sagt DeMalo und beugt den Kopf.
Aber ich hab es trotzdem gesehen. Dass er ein bisschen die Lippen verzieht. Dass da was über sein Gesicht gehuscht ist.
Er verachtet Vikar Pinch.
Als der König rausgeht, verbeugen die Tonton sich wieder, genau wie vorhin. Als sie an der Tür vom Zellentrakt sind, lässt DeMalo Pinch und seine Mutter als Erste durchgehen.
Dann dreht er sich um und guckt mich an.
Ich halt den Atem an. Lass den Kopf sinken. Ich darf ihm nicht in die Augen sehen. Ich wag es nicht. Nicht mal hier im halbdunklen Zellentrakt.
Dann geht er endlich. Ich kann es spüren.
Irgendwas … lässt mich los.
Und ich kann wieder atmen.
E s hat sich rumgesprochen.
Der Todesengel geht unter.
Hopetown ist brechend voll. Der Abschaum kriecht aus seinen Löchern, um dabei zu sein, um auf die nächsten beiden Kämpfe zu wetten. Der Käfigmeister nimmt nur astreinen Abwrackerplunder als Einsatz an – Münzen, Glasperlen, Goldringe, Silberketten … sie bringen ihm, was sie haben, und er entscheidet, was es wert ist oder ob es überhaupt was wert ist.
Offenbar ist die Aussicht auf meinen Tod eine Menge wert. Jedenfalls für ihn. Für Miz Pinch. Und für alle in Hopetown, die ein flohverseuchtes Bett frei haben. Em hat erzählt, sie vermieten die Betten jetzt stundenweise, nicht für eine ganze Nacht.
Im Augenblick bietet der Käfigmeister dieselben Quoten für Epona wie für mich.
Seit dem ersten Mal hat er mich nicht mehr kämpfen sehen. Seit dem Tag, wo er mir gesagt hat, dass es ihm egal ist, ob ich leb oder sterb. Es stimmt. Wir sind alle gleich für ihn. Wir sind alle gleich für alle, die kommen, um uns kämpfen zu sehen.
Ich wart darauf, dass ich in den Käfig muss, und guck hoch zum Balkon vom Käfigmeister. Er ist da, zusammen mit DeMalo und dem König.
Der König lehnt auf dem Geländer und starrt zu mir runter. Heute ist er ganz in Rot.
Meine Geburtsmondtätowierung macht ihm Sorgen, so viel ist klar. Darum glaub ich auch, dass Helen recht hat: dass er Lugh wirklich als Gefangenen in Freedom Fields hat. Lughs Tätowierung ist ihm bestimmt aufgefallen. Ich kann nur hoffen, dass er mir meine Geschichte abgekauft hat.
Natürlich verlier ich meinen Kampf.
Das sind zwei verlorene Kämpfe.
Nur noch einer.
Morgen ist es so weit.
D a steht er. Jack. Er lehnt in einer Ecke vom Männerübungshof an der Wand, die Beine an den Knöcheln überkreuzt, die Arme vor der Brust verschränkt. Und starrt zu mir rüber.
Als er sieht, dass ich zu ihm hinguck, drückt er sich von der Wand ab und kommt zum Zaun rübergeschlendert. Auch meine Beine bewegen sich unwillkürlich, und plötzlich steh ich vor ihm. Seine langen Haare sind ab. Abrasiert, wie bei uns anderen auch.
Engel, Engel, sagt er. Er lächelt und schüttelt den Kopf. Was hast du vor?
Ich weiß nicht, wovon du redest, sag ich.
Du verlierst deine Kämpfe nicht, sagt er. Außer du willst es so.
Seine silbrigen Augen gucken rüber zu Epona, die mit ein paar anderen Kämpferinnen redet.
Ich hab neulich gesehen, wie du mit deiner Freundin gesprochen hast, sagt er. Hat wie eine mächtig interessante Unterhaltung ausgesehen.
Ich weiß nicht, was du meinst, sag ich.
Hitze breitet sich auf meiner Brust aus. Der Herzstein fühlt sich warm an auf der Haut. Wie vor ein paar Tagen, als ich zum ersten Mal mit ihm geredet hab. Ich runzel die Stirn.
Er zuckt die Achseln. Schon gut, sagt er. Sag nichts. Am Ende find ich’s doch raus.
Gar nichts findest du raus, sag ich. Da gibt’s nichts rauszufinden.
Plötzlich packt er mein Handgelenk. Ich hab nicht mal gesehen, wie er sich bewegt hat. Ein Kribbeln schießt mir den Arm hoch. Wie damals, als Lugh und ich fast vom Blitz getroffen worden wären.
Das Lächeln ist verschwunden. Sein Gesicht ist
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