Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
Wachposten der Schule. Ich bezweifle, dass er irgendjemanden ernsthaft hätte aufhalten können, lebendig oder tot, aber er war ein freundlicher älterer Herr und er fühlte sich nützlich, wenn er dort mit seinem Schlagstock, seiner Trillerpfeife und seiner Anwesenheitsliste sitzen konnte. Er winkte uns durch, während er und Mr. Caine ihren üblichen Small Talk abhielten, den ich an den meisten Tagen der letzten sieben Jahre ohne große Variationen mit angehört hatte.
»Morgen, Mr. Caine.«
»Wie geht’s Ihnen, Mr. Enders?«
»Ach, ich kann nicht klagen.«
»Gut so. Es würde Ihnen sowieso keiner zuhören, wenn Sie es täten.«
Es folgte Gekicher. Ich hatte mich immer gefragt, wie sich die beiden auf das Drehbuch geeinigt hatten, denn wenn mein Dad an Mr. Enders vorbeiging, hieß es immer: »Hey – arbeiten Sie hart? Sieht nicht gerade so aus!« Selbst damals bewunderte ich bereits Mr. Caines Fähigkeit, nahtlos von den komplexesten Interpretationen und Analysen in belangloses Geplänkel überzugehen. Das war auch so eine seiner charmanten Methoden, mit denen er dafür sorgte, dass die Menschen sich wohlfühlten, und dabei genoss er seine Späßchen mit Mr. Enders als das, was sie waren. Sie hatten nie auch nur einen Hauch von Herablassung oder Heuchelei an sich.
Wir gingen hinaus und setzten uns im Schatten des Schulgebäudes auf den Boden. Mr. Caine sprach zunächst mit Vera, fragte sie, wie ihr Tag gewesen war und was sie in ihren anderen Unterrichtsstunden gemacht hatte. Sie war damals in jenem seltsamen Alter, in dem sie eigentlich nicht mehr wie ein Kind behandelt werden wollte, irgendwie aber doch, und Mr. Caine stellte sich immer sehr flexibel auf ihre Launen ein und hörte ihr aufmerksam zu. Natürlich war ich selbst kein bisschen weniger seltsam, da ich zwar ausschließlich wie eine Erwachsene behandelt werden wollte, es mir aber noch an Erfahrung, Stärke oder Disziplin fehlte, um selbst wie eine zu handeln oder zu antworten. Aber auch dabei fühlte ich mich in seiner Gegenwart nie nervös oder angespannt.
Unser Mittagessen fiel zu dieser Jahreszeit stets eher mager aus, da erst im Sommer die neue Ernte anstand. Ich kaute auf etwas Dörrfleisch, das erst mit einer ausgiebigen Portion Speichel versorgt werden musste, bevor meine Zähne auch nur die geringste Hoffnung haben konnten, es kleinzukriegen, obwohl die Chancen eigentlich 28:1 standen. Außerdem hatte ich etwas von Moms krümeligem Brot und ein paar getrocknete Nüsse dabei. Mr. Caines Mittagessen bestand aus ein paar Äpfeln vom letzten Herbst, die einer aufwendigen Operation mit seinem Taschenmesser bedurften, um alle unappetitlichen Stellen zu entfernen. Er teilte die guten Reste mit Vera und mir, nachdem er sie herausgeschnitten hatte. Sie schmeckten mehlig und leicht scharf, da sie samt Schale bereits etwas vergoren waren, aber beim Essen geht es sowieso eher um die Gesellschaft, das wusste ich schon damals, und für sie war ich sehr dankbar.
Als Vera genug von ihrem Tag berichtet hatte, lenkte Mr. Caine die Unterhaltung in meine Richtung. »Bereit für dein Gelübde, Zoey?«
Ich zuckte mit den Schultern. Wann war man für so etwas bereit? Diese ganze Sache wurde mächtig aufgebauscht, aber ich wusste noch immer nicht im Detail, was eigentlich von mir erwartet wurde. »Ich denke schon. Dad sagt, ich bin echt gut in meinen verschiedenen Kampftechniken und so.«
Er schnitt weiter an seinem Apfel herum. »Da bin ich ganz sicher. Dein Dad ist großartig darin. Früher hat er mich oft unterrichtet, schon bevor du zu uns kamst. Ich bezweifle, dass ich ohne seine Hilfe überlebt hätte.«
Es war genauso wie im Unterricht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass das, worüber wir sprachen, relevant war, und ich wollte, dass er das wusste. »Wie soll ich mich denn fühlen? Ich habe einfach nur das Gefühl, dass ich die ganze Zeit trainiert habe, und jetzt ist da diese Zeremonie – ich bin letztes Jahr bei einer dabei gewesen, aber ich verstehe trotzdem nicht, was sie für mich bedeuten oder was sie an mir verändern soll.«
Er beschäftigte sich weiter mit dem Apfel, hantierte mit dem Messer und nickte. Ein Lächeln kräuselte seine Lippen, während er nachdachte, und ich wusste, dass ich gleich etwas Außergewöhnliches hören würde. »Mit ist gerade ein wirklich lustiger Gedanke gekommen, Zoey. Ich konnte mich wieder glasklar daran erinnern, weshalb ich vor all den Jahren Professor werden wollte und über so lange Zeit so hart dafür
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