Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
ich manchmal denke, man sollte euch alle erschießen, weil ihr euch wie Tiere oder Schlimmeres aufführt. Ein ganzer Stall voll von eurer Sorte ist fast genauso schlimm wie ein Stall voller tollwütiger, hungriger Wölfe. Es gefällt mir nicht. Aber ihr zwei scheint anders zu sein.« Will legte seinen Kopf zurück, um mit seinem Kinn auf mich zu zeigen. »Er frisst keine Leute, und ihr scheint beide zu verstehen, was ich sage. Und ihr scheint einander zu mögen. Er hätte sich gerade fast den Kopf wegpusten lassen, um dich zu verteidigen. Es gibt jede Menge richtige Menschen, die das nicht für ihre Freundin oder irgendjemand anders tun würden. Und es gibt eine Menge richtige Menschen, die anderen schon für weniger als einen Happen zu Essen wehtun oder sie töten würden.«
Wieder einmal verstand ich nicht, in welcher Hinsicht Lucy und ich nicht »richtig« waren, aber ich hatte sowieso keine Möglichkeit, dieses Thema weiterzuverfolgen. »Was ich also sagen will, ist, dass ihr beide vielleicht gar nicht so übel seid, und vielleicht kann ich euch ja mal mit nach draußen nehmen und euch was anderes zeigen. Würde euch das gefallen?«
So glücklich oder gar idyllisch das Leben mit Lucy hier auch sein mochte, ich hatte trotzdem immer daran gedacht, eines Tages mit ihr von hier fortzugehen, um zu sehen, was dort draußen auf uns wartete – jedenfalls, sobald ich meine Angst vor wilden Tieren, gewalttätigen Menschen und anderen Gefahren überwunden hatte. Danach zu urteilen, was ich soeben gesehen hatte, konnten nur wenige Menschen noch gefährlicher sein als Will, und es war vielleicht sogar von Nutzen für uns, wenn er uns begleitete. Lucy wirkte noch immer grimmig und aggressiv, aber ich erkannte, dass sie ungefähr dasselbe dachte. Wir drehten uns beide wieder zu Will und ich nickte ihm zu.
Will nickte ebenfalls und steckte seine Waffe zurück ins Halfter. Er sah mich noch eindringlicher an. »Du erinnerst mich an jemanden. Ich glaube, er war mein Sozialkundelehrer in der fünften Klasse. Er war mein Lehrer im letzten Jahr, als wir noch eine richtige Schule hatten und Fächer und Bücher.« Er schüttelte den Kopf. »Sozialkunde? Wen zur Hölle interessiert das jetzt schon? Diese Dinge existieren nicht mehr.« Er sah aus wie Lucy und wirkte, als wolle er mich ebenfalls anknurren, doch dann entspannte er sich wieder ein wenig. »Ich will damit nur sagen, dass er nett zu sein schien. Du siehst ihm wirklich unglaublich ähnlich.« Er sah mich noch durchdringender an und kniff die Augen zusammen. »Aber das kann nicht sein, das wäre ein zu großer Zufall. Erinnerst du dich denn noch daran, wer du warst?«
Ich machte einen ganz langsamen Schritt auf ihn zu, während ich in meine Hosentasche griff und ihm die Ausweiskarte des Stony Ridge College hinstreckte. Er nahm sie, warf einen Blick darauf, sah mich erneut ganz genau an und gab mir dann die Karte zurück. »Jep, das bist du. Die Leute, die mich großgezogen haben, nachdem meine richtigen Eltern gestorben waren – der Mann war auch Collegeprofessor. Er ist auch nett. Aber es ist einfach nicht dasselbe, wenn es nicht die richtigen Eltern sind.« Er schüttelte den Kopf. »Nun, Truman, ich hoffe, wir können Freunde werden. Hat sie auch einen Namen?«
Ich wollte Lucys Namen nicht verstümmeln, aber selbst wenn er mir fehlerfrei über die Lippen gekommen wäre, hatte sie selbst ja noch nie gehört, dass jemand sie so nannte. Dieser Name gehörte ihr nur in meinen trüben Gedanken. Ich hielt sie weiterhin fest, während ich mit meiner anderen Hand auf ihr Auge deutete.
»Wie?«, fragte Will. »Sie heißt One Eye?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er sah sie etwas genauer an. »Was? Blue Eye? Ja, das ist wirklich ungewöhnlich. Sieht ganz anders aus als die Augen von euch Typen normalerweise aussehen. Also, Zombie-Lady, darf ich dich Blue Eye nennen?«
Lucy nickte vorsichtig. Ich glaube, sie lächelte sogar ein wenig, beinahe kokett.
»Danke. Wenn ich nächstes Mal komme, machen wir einen Ausflug. Ich schau mir mal die Karte an. Das wird bestimmt eine amüsante Abwechslung.«
Dann ging er zurück zu dem Tor, das die anderen von uns fernhielt. Er schloss die Kette auf, die er daran befestigt hatte, riss sie weg und rannte wieder zu uns zurück. Er warf die Kette über den Zaun und war schon hinübergeklettert, bevor die anderen überhaupt das Tor geöffnet hatten. Ich sah zu, wie er sich entfernte, und fragte mich, in was ich uns da wohl hineingeritten
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