Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
wirklich erst gewöhnen. Ihr habt aber nicht …?« Er schüttelte den Kopf noch heftiger. »Nein, vergiss es einfach wieder. Ich sehe ein, dass Milton recht damit hatte, dass manche Dinge privat sind. Okay. Du scheinst keine Leute fressen zu wollen, ist das richtig?«
Wieder nickte ich.
»Es sieht aber nicht so aus, als ob sie oder die anderen deine geschmacklichen Vorlieben teilten.«
Ich schüttelte den Kopf.
»In Ordnung. Milton redet andauernd davon, dass ihr alle noch Teil unserer Gemeinschaft seid und dass wir euch respektieren sollten. Aber die meiste Zeit sehe ich nur, wie ihr einander anrempelt und versucht, Leute zu fressen, und dann denke ich, er hätte den Verstand verloren und wir sollten euch einfach allen eine Kugel in den Kopf jagen.« Lucy erregte diese letzte Bemerkung sehr. Ich hatte keine Ahnung, wie viel sie tatsächlich verstand, aber irgendein Teil der Beleidigungen oder Bedrohungen schien zu ihr durchgedrungen zu sein.
Mit einem unmenschlichen Knurren, das sich zu einem Kreischen steigerte, schob sie sich an mir vorbei und stürzte sich auf Will. Sie war viel zu langsam und unbeholfen, um ihn zu überraschen oder gar zu überwältigen, und deshalb war ich mir sicher, dass sie in wenigen Sekunden tot sein würde. Will stellte sich ihrem Angriff entgegen und riss seine behandschuhte linke Hand hoch, und Lucy biss sich darin fest. Er war groß und stark genug, um sie in dieser Position auf Abstand zu halten, sodass sie ihn mit ihren Armen nicht erreichen konnte. Als mir bewusst wurde, wie muskulös und wie offensichtlich er ans Kämpfen gewöhnt war, nahm ich an, dass er ihr aus dieser Position auch ganz leicht das Genick brechen konnte.
Ich bewegte mich auf ihn zu, und auch wenn ich schneller war als Lucy, hatte ich noch nicht einmal einen Schritt gemacht, als plötzlich ein unglaublich großer Revolver vor meinem Gesicht auftauchte. Ich verstand zwar nicht viel von Waffen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es, wenn der Hahn gespannt war – und das war er, als Will mir den Revolver vors Gesicht hielt –, äußerst ungünstig war, dort zu stehen, wo ich mich befand, nämlich vor der Öffnung des Laufs.
Abgesehen von seiner Größe – die wirklich außerhalb jeder Vorstellungskraft lag, und zwar so weit, dass ich kaum glauben konnte, dass Will ihn mit ausgestrecktem Arm so vollkommen ruhig hielt – handelte es sich aber um einen ausgesprochen schön glänzenden Revolver, wodurch der Kontrast zur unendlichen Schwärze im Inneren des Laufes noch viel stärker hervortrat. Zum ersten Mal, soweit ich mich erinnern konnte, wurde mir wirklich bewusst, was Tod bedeutete und dass ich nicht sterben wollte. Ich wusste jedoch auch, dass ich Lucy verteidigen musste.
Will schüttelte ganz leicht den Kopf. »Nein«, sagte er und blickte mir direkt in die Augen. »Ich verpasse der Wand da einen neuen Anstrich mit deinem Gehirn, noch bevor du zucken kannst, Mr. Zombie-Schlaukopf. Und dann mach ich dasselbe mit deiner Freundin. Wieso erklärst du ihr also nicht – wie immer du ihr auch Sachen erklärst –, dass es eine gute Idee wäre, wenn sie mich losließe? In Ordnung?«
Er biss immer wieder die Zähne zusammen, da ihr Biss ihm ganz offensichtlich Schmerzen bereitete.
Ich hielt meinen Blick auf die Waffe gerichtet und machte einen Schritt zurück. Ich verstand zwar den Namen nicht, den er mir gegeben hatte, aber ich verstand, was nun passieren musste. Ich legte meine Hand auf Lucys Schulter und hielt sie behutsam fest, während ich das tiefe Keuchen von mir gab, das wir stets benutzten, wenn wir etwas Positives oder unsere Zustimmung zum Ausdruck bringen wollten. Wir hatten natürlich nicht einmal annähernd das passende Vokabular für das, was ich ihr auf Wills Befehl hin mitteilen sollte oder was ich ihr wirklich hätte sagen wollen, nämlich, dass ich sie liebte und nicht wollte, dass man ihr wehtat. Sie war ungeheuer angespannt und zitterte am ganzen Körper vor Wut und aufgrund der Anstrengung, die es ihr bereitete, sich in Wills Hand festzubeißen. Ich drückte ihre Schulter noch ein wenig fester, aber trotzdem ganz sanft, und ließ den Ton erst abreißen, als ich bemerkte, dass sie sich ein wenig entspannte. Wills Hand rutschte aus ihrem Mund, und wir entfernten uns beide ein Stück von ihm.
Auch Will machte einen Schritt zurück. »Okay. Jetzt bleibt die Waffe draußen, während wir uns unterhalten. Ich wollte eigentlich gerade etwas Nettes sagen, Zombie-Lady. Ich habe gesagt, dass
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