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Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Paffenroth
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Möglichkeit sahen, ihre eigene sadistische, hedonistische Version von Freiheit aus tiefstem, krankem Herzen zu feiern. Die ganze Szene ließ Herr der Fliegen aussehen wie Betty und ihre Schwestern .
    Nachdem Copperhead die Feierlichkeiten eröffnet hatte, durften wir ein spektakuläres Schauspiel erleben, bei dem die Hauptdarsteller so viel blutiges Fleisch verspeisten, wie nur menschenmöglich. Wie wilde Tiere fraßen sie es in hierarchischer Reihenfolge. Copperhead aß zuerst, wie der Anführer eines Löwenrudels, obwohl er, genau wie der ranghöchste Löwe, bei der Jagd auf das Festmahl keinen Finger krumm gemacht hatte.
    Dann waren die anderen Löwen des Rudels an der Reihe: Zunächst Copperheads wichtigste Handlanger und die Männer der Jagdgruppe, die alle im obersten Stock des Gefängnisses wohnten, den sie »Park Avenue« nannten. Diejenigen, die auf der ersten und zweiten Etage wohnten – die, wie wir erfuhren, »Uptown« bzw. »Downtown« hießen – waren die Nächsten. Sie waren wie Hyänen, die sich auf die Beutereste der Löwen stürzen. Dann durften auch die Männer der Grubenmannschaft – die Schakale, die die gefährlicheren Raubtiere nicht beleidigen oder wütend machen wollten – etwas essen.
    Schließlich, als keine Gefahr mehr bestand und sich alle ihren Teil abgerissen hatten, kamen auch wir sechs an die Reihe, die Gefangenen in der Grube, die Aasgeier, denen nur die kläglichen Überreste blieben.
    Ausgehungert, wie ich war, mit dem Geruch des ersten gebratenen Fleisches seit fast einem Jahr um mich herum, schmeckte das barbarische Mahl besser als alles, was ich jemals gegessen hatte, und ich bin mir sicher, die anderen empfanden es genauso. Während ich an einem Knochen knabberte, beobachtete ich die Insassen, die, wie benommen durch den Blut- und Fleischrausch, in den Ecken hingen, und einmal mehr wurde mir bewusst, wie erschreckend wenig uns von den anderen Fleischfressern trennte, die vor dem Gefängnis umherwankten, mit betäubtem Blick und noch immer menschlichen Gesichtern.
    Nachdem unser Hunger gestillt war und wir im Halbdunkel auf dem Boden saßen, fühlten wir nur noch entsetzliche Angst und Hilflosigkeit, wenn wir daran dachten, was uns erwartete. Und was konnten wir schon sagen, besonders zu Popcorn? »Es tut mir leid« war viel zu wenig und viel zu vage, aber »alles wird gut« war eine glatte Lüge. »Mach dir keine Sorgen – morgen Nacht sind wir auch dran« war zwar ebenso bitter wie ehrlich, würde aber weder ihn noch uns sonderlich trösten. Ihm zu versichern, dass wir kämpfen würden, war, bis zu einem gewissen Punkt, die Wahrheit. Aber wir wussten alle, dass der Zeitpunkt kommen würde, an dem wir aufhören und es einfach geschehen lassen mussten, oder man würde uns zu Tode prügeln – und passieren würde es trotzdem.
    Seltsamerweise war es Frank, der sprach; er hatte fast kein Wort gesagt, seit wir das Museum an diesem Morgen verlassen hatten, und das schien eine Ewigkeit her zu sein. »Ich glaube, dass ihr hier wieder rauskommt«, sagte er. »Und wenn ihr das tut, dann möchte ich, dass ihr euch für mich um Zoey kümmert. Sagt ihr, wie sehr ihre Mom und ich sie geliebt haben.«
    Ich glaube, in diesem Moment fanden wir das alle ziemlich gefühllos von ihm – die Situation so darzustellen, als ginge es um ihn, wo doch außer Frage stand, dass Popcorn am meisten leiden würde, zumindest in dieser Nacht. Aber Frank streichelte Popcorn über die Schulter, und wir betrachteten seine Worte einfach als den unbeholfenen Versuch, seine Hoffnung für uns auszudrücken. Und dieser Augenblick war einer der wenigen, in denen ich je gesehen habe, dass Popcorn es zuließ, dass jemand außer Tanya ihm ein bisschen Zärtlichkeit zeigte, also wusste er vielleicht, was Frank meinte, selbst wenn wir, die wir älter und vermeintlich weiser waren, ihn nicht verstanden.
    Wenig später sammelten sie uns wieder ein und brachten uns nach drinnen zurück. Die Männer, die auf der Etage über uns wohnten, kletterten an den Leitern nach oben, und die Grubenmannschaft bewachte uns in unseren Einzelzellen noch wachsamer als zuvor. Überall brannten Fackeln, und das Licht des beinahe vollen Mondes schien durch die Dachfenster herein, sodass man auch in der düsteren Grube etwas sehen konnte, zumindest ein bisschen.
    Sie versuchten, alles so leise wie möglich über die Bühne zu bringen; möglicherweise aus der leisen Angst, sie könnten uns sonst zu einem unnötigen Gewaltausbruch

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