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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
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vom Karneval in Rio, von Liebe und Familie. Der rhythmische Schlag seiner gewaltigen Flügel würde mich in den Schlaf wiegen, und wenn ich aufwache, halten meine Eltern mich in den Armen. Sie schauen voll Staunen auf das Wunder, das ihnen geschenkt wurde.«
    Als sei das nicht genug, erzählt sie mir danach von einer zweiten spontanen Idee.
    »Ich habe überlegt, welches Tier ich gerne wäre. Aber je länger ich gegrübelt habe, desto klarer ist mir geworden, dass ich am liebsten ein Mensch bin.«
    Das überrascht mich. Ich hatte auf einen Vogel getippt. Zumindest auf ein Wesen mit Flügeln. »Wieso?«
    »Weil Menschen es einfach am besten haben«, sagt sie. »Zum Beispiel sind wir Zweibeiner. Wenn ich auf allen vieren laufen müsste, wäre ich viel kleiner … und ich könnte nie wieder Hand in Hand mit dir gehen. Einen Fotoapparat könnte ich auch nicht bedienen. Klingt doch langweilig.«
    So habe ich die Sache noch nie gesehen, muss ich zugeben.
    »Außerdem ist es enorm wichtig, ein Landtier zu sein. Im Wasser würde es mir überhaupt nicht gefallen. Keine Spaziergänge in der Sonne. Keine Autofahrten ins Blaue. Ich könnte nicht mehr rennen oder Rollerblades fahren und den Wind in den Haaren spüren. Außerdem bin ich im Schwimmen eine ziemliche Niete«, fügt sie hinzu.
    »Oder stell dir vor, wir wären nachtaktiv. Dann würden uns die ganzen Sonnenuntergänge entgehen. Wir würden das Gefühl nicht kennen, wenn im Sommer die Sonne auf der Haut brennt und wir uns entspannt zurücklehnen, um die Wolken am Himmel zu beobachten. Als Mensch hat man auch am meisten im Kopf. Wer will schon das winzige Gehirn einer Katze? Kein Philosophieren, Analysieren, Schreiben, Lesen, Träumen. Das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
    »Und dieses Gespräch wäre uns auch entgangen«, bemerke ich. »Ein echter Verlust.« Sie sieht, wie ich die Augen verdrehe, und will mir einen Knuff geben. Aber ich fange ihre Hand ab, ziehe sie an mich und drücke Dylan einen Kuss auf den Mund, bevor sie sich lange sträuben kann.

E rste Erleuchtung
    Dylan
    Den Freitagabend verbringe ich in Grays Keller, wo der Fernseher läuft. Da ich es langweilig finde, einfach nur zuzuschauen, wird Fernsehen bei mir meistens interaktiv. Also schalten wir die Werbung auf stumm und übernehmen selbst die Vertonung. Wir verwandeln das angepriesene Shampoo in ein Mittel gegen Kopfläuse. Und aus der Reklame für Kentucky Fried Chicken machen wir einen Spot des Gesundheitsamtes, der vor Fettsucht warnt.
    Danach schlendere ich in Grays Schlafzimmer und er folgt mir, als wäre er mit einem unsichtbaren Faden an mich gefesselt. Das Gefühl kann ich verstehen, denn mir geht es ähnlich. Ich drücke diverse Knöpfe an seiner Stereoanlage und beschließe, dass wir jetzt gemeinsam Musik hören.
    Er spielt mir seine Lieblingsstücke vor, die alle eine akustische Gitarre enthalten. Gray erklärt mir, warum die Gitarre das beste Instrument überhaupt ist: Sie kann für sich allein stehen und braucht keine andere Begleitung. Auf ihr kann man jeden Song spielen oder komponieren, der einem einfällt. Gitarrenmusik kann schreien, weinen, trommeln, lachen und jedes denkbare Gefühl ausdrücken, als sei das Instrument zur Hälfte menschlich.
    Er legt das Album Heartbreaker von Ryan Adams auf, wir schalten das Licht aus und legen uns zwischen den Lautsprechern auf den Boden. Die nächsten Stunden hören wir der Musik zu. Sonst tun wir nichts. Wir lauschen auf die verschiedenen Rhythmen und das sorgfältig komponierte Zusammenspiel der Instrumente. Der Teppichboden schluckt die Bässe, die grelleren Töne der Mundharmonika und den Pulsschlag der Trommeln. Grays Fingerkuppen tanzen gegen meine, und ich versuche, das Gefühl in meinem Gedächtnis festzuhalten. Ich bin entspannt, aber zu high, um einzuschlafen. Die Musik fällt wie Regen auf uns nieder, fließt honigschwer über unsere Haut und dringt in unsere Knochen. Wir stellen uns vor, was der Komponist bei den Songs gedacht hat. Wir erforschen gemeinsam die Textzeilen und hören, was die Musik uns sagt.
    Ein besseres Date hatte ich noch nie.
    Irgendwann stehe ich auf, knipse die Schreibtischlampe an und studiere die Pinnwand, an der Gray seine Konzerttickets gesammelt hat. Laut lese ich die Bands vor.
    »Black Crowes, The Killers, The Roots, Atmosphere, U2, Beastie Boys, Bob Dylan, Ryan Adams, Tom Petty, Paul Simon, Red Hot Chili Peppers, Counting Crows, The Flaming Lips … Wo hast du die denn alle gesehen?«
    Er sagt, die

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