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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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Referenzen heruntergerattert hatte, forderte er sie auf, sich einen Stuhl zu holen und neben ihn zu setzen.
    Dunkelheit senkte sich über die Stadt. Nach und nach gingen in den Wolkenkratzern die Lichter an, bis die gesamte Skyline strahlend hell erleuchtet war. Travis stand an den Fenstern im Wohnzimmer und sah hinunter auf den Park, wo zwischen den dichten Bäumen das warme Licht der Laternen an den Gehwegen zu sehen war.
    Paige trat neben ihn. Eine ganze Weile standen sie Seite an Seite da, ohne zu sprechen.
    «Ich bin zum ersten Mal hier», sagte Travis dann.
    «Wunderschön, nicht wahr?»
    Er nickte.
    «Meine Mutter hat lange Zeit hier gewohnt, als ich noch klein war», sagte Paige. «In dem Haus direkt da drüben. Das eine da aus Backstein mit dem blauen Licht auf dem Dach.» Sie deutete über den Park hinweg. Lehnte sich an ihn, damit er an ihrem Arm entlangblicken konnte.
    Er spürte ihre Haut an der seinen. Gleich darauf schien auch ihr diese Berührung zu Bewusstsein zu kommen. Wie auch der Umstand, dass er davon Notiz genommen hatte. Sie sagte nichts, lehnte sich bloß wieder zurück und trat ein wenig beiseite.
    Ihm fiel auf, dass sie zum ersten Mal, seit sie am Vortag aus Finns Büro durch die Iris gestiegen war, miteinander allein waren. Seither waren sie immer zu dritt gewesen, hatten sich eigentlich nie getrennt. Bis jetzt.
    Das Schweigen zwischen ihnen hatte auf einmal etwas Lastendes.
    «Dann hast du also viel Zeit hier verbracht?», fragte er.
    «Ja. Jeden Sommer. Und an Thanksgiving oder Weihnachten, jedes Jahr im Wechsel, wie es sich gerade ergeben hat.»
    «Muss spaßig gewesen sein. Als Kind hier in New York, meine ich.»
    Sie zuckte mit den Schultern. «Mir hat’s gefallen. Es wurde jedenfalls nie langweilig hier.»
    Das Gespräch hatte etwas scheußlich Gezwungenes. Als würde er sich auf einer Abschlussfeier mit irgendjemandes Schwägerin unterhalten. Als wüsste er nicht, dass sie am liebsten nackt auf der Seite schlief und ihren Kopf dabei lieber auf jemandes Schulter bettete als auf ein Kissen. Als wüsste er nicht, wie ihre Ohrläppchen schmeckten, und noch so manch anderes an ihr. Als wäre all das nie passiert.
    Was vermutlich auch besser gewesen wäre. Dann wären die letzten beiden Jahre für ihn wesentlich leichter gewesen. Dann hätte er nachts nicht so oft wach gelegen.
    Sie wandte das Gesicht zur Seite. Sah ihm direkt in die Augen. Schaute dann wieder aus dem Fenster.
    «Kaum anzunehmen, dass es volle vier Monate dauern wird, die Sache zu bereinigen», sagte sie.
    Travis nickte.
    «Ein paar Wochen, wenn’s hoch kommt», fuhr Paige fort. «Mag sein, dass Finn mit vielen der Leute ganz oben in der Hierarchie unter einer Decke steckt, aber Garner wird alle Übrigen auf seine Seite ziehen. Ganz gleich, wie es danach weitergeht oder was in den Nachrichten berichtet wird, damit ist die Sache dann beendet. Tangent wird sich sicher auch noch irgendwie einschalten, aber damit, dass wir drei die Sache ganz allein zu schultern haben … ist es wohl jetzt vorbei, schätze ich.»
    «Ich jedenfalls werde ganz sicher nicht mehr gebraucht», sagte Travis.
    Sie sah ihn erneut an. «Wenn du willst, können wir dich wieder mit einer neuen Identität ausstatten, an einem Ort deiner Wahl, ganz nach deinen Wünschen.»
    «Etwas in der Art wie letztes Mal würde mir genügen», sagte er.
    «Einverstanden.»
    Wieder senkte sich Schweigen herab. Sie sahen hinaus auf die Stadt. Unten auf dem Gehsteig gegenüber ging gerade ein junges Pärchen vorbei. Das Mädchen drehte sich zu dem jungen Mann um, fasste ihn an beiden Händen und riss seine Arme in die Höhe, während sie aufgeregt auf- und abhüpfte. Als würde sie sich über irgendetwas unheimlich freuen.
    «Du könntest auch zurückkommen», sagte Paige. «Das weißt du.»
    Travis antwortete nicht sofort. Er wandte ihr das Gesicht zu und sah, dass sie ihn eindringlich anblickte. Sah in ihren Augen all das, was sie nicht aussprach. Sah eine Einladung, die sich nicht nur auf Border Town beschränkte.
    «Tut mir leid», sagte er.
    Sie sah ihn weiter unverwandt an. Falls sie über seine Worte verletzt war, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken.
    «Gut», sagte sie bloß.
    Sie wandte sich vom Fenster ab. Ging zu einem großen Ledersessel hinüber und setzte sich. Lehnte sich zurück und schloss die Augen.
    «Wenn ich dir das erklären könnte, ich würde es tun», sagte Travis.
    «Ich habe dich nicht darum gebeten.»
    «Das spielt keine Rolle. Ich

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