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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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durch die Iris werfen kann. Ohne den Zylinder hat Garner keine Chance. Er braucht ihn. Das ist wichtiger als unser persönliches Überleben.»
    Beide Frauen antworteten nicht sofort. Während um sie herum der Regen niederrauschte, meinte Travis zu spüren, wie sie sich mit der Idee anfreundeten. Ungern und widerstrebend zwar, aber am Ende beugten sie sich seiner Argumentation.
    «Wo treffen wir dich?», fragte Paige.
    «Sobald ihr unten auf der Central Park West Avenue seid, wendet euch nach Süden. Seht zu, dass ihr euch so weit wie möglich von hier entfernt. Wird in der Finsternis zwar nicht ganz einfach sein, aber tut euer Bestes. Ihr werdet die Schießerei dann schon hören. Wenn alles gutgeht, folge ich euch nach unten und rufe euch dann.»
    Wieder verstrichen einige Sekunden. Dann spürte er, wie Paige ihm eine Hand ans Gesicht legte und mit den Fingern sanft seinen Konturen folgte. Ungefähr so, als wollte sie in der Finsternis auf diese Weise einen letzten Blick auf ihn erhaschen.
    «Sei dort», sagte sie. Dann zog sie ihre Hand fort, und als Nächstes hörte Travis die Schritte der beiden, die sich die Treppe hinunter entfernten. Er lauschte ihnen noch ein paar Sekunden nach und eilte dann wieder die Treppe hinauf.
    Wieder oben angelangt, postierte er sich auf einem Knie auf der obersten Treppenstufe. Dieser Platz war so gut wie jeder andere und hatte zumindest einen strategischen Vorteil: Wenn sein Feuer erwidert wurde, könnte er immerhin ein paar Stufen nach unten zurückweichen.
    Je länger er über seine Chancen nachdachte, desto mehr wuchs seine Zuversicht. Bei einer Entfernung von über zwölf Metern würde die Streuung der Schrotgeschosse mindestens so breit sein wie die Iris. Wer dort hindurchkam, würde in Stücke gefetzt.
    Finn und seine Leute waren ursprünglich zu siebt gewesen. Zwei von ihnen waren inzwischen tot. Vielleicht sogar noch mehr.
    Travis nahm den Rucksack vom Rücken, stellte ihn vor sich auf dem Boden ab und öffnete den Reißverschluss. Zog die Öffnung weit auf, um später möglichst ungehinderten Zugriff zu haben.
    Fünf Schüsse konnte die Remington abgeben – vier Patronen befanden sich im Magazin, eine schon in der Kammer. Er tastete nach der Ladeöffnung und vergegenwärtigte sich noch einmal, wie man Patronen hineinschob, ohne etwas sehen zu können. Mit besonderen Schwierigkeiten rechnete er dabei nicht, weil er das immer hauptsächlich nach Gefühl erledigte, ohne hinzusehen.
    Er ließ den Blick einmal in einem weiten Bogen durch die Finsternis schweifen. Selbst am Rande seines Gesichtsfelds würde er die Iris auf Anhieb sehen, wenn sie sich öffnete. Sie würde ebenso wenig zu übersehen sein wie ein Scheinwerfer, der gerade angeschaltet wurde.
    Er brachte die Flinte in Anschlag und stemmte sich den Kolben fest gegen die Schulter.
    Er war bereit.
     
    Finn stand an der offenen Wohnungstür und horchte in den Hausflur. Das Treppenhaus war sechs Meter entfernt. Garners Personenschützer hatten mit ihrem Schützling gewiss diese Route nach unten gewählt, statt erst lange auf einen Aufzug zu warten.
    Finn aber horchte jetzt auf etwas anderes. Auf das Geräusch von Schritten, die die Treppe heraufkamen.
    Er hörte nichts.
    Was aber nur zu erwarten war, wie ihm auffiel. Auf dem Weg nach unten hatten die Leute vom Secret Service so viel Lärm machen können, wie sie wollten; Sicherheitspersonal, das jetzt womöglich nach oben kam, um die Treppenaufgänge zu sichern, würde wahrscheinlich darauf achten, so lautlos wie möglich nach oben zu schleichen.
    Er kehrte ins Wohnzimmer zurück. Fünf seiner Männer waren noch am Leben. Einer hatte einen Nasenbeinbruch und vermutlich noch weitere Knochenbrüche im Gesicht erlitten. Der Mann hielt sich zwar tapfer auf den Beinen, machte aber den Eindruck, als könnte er mit seinen fast zugeschwollenen Augen kaum noch etwas sehen.
    Unten vor dem Gebäude trafen mittlerweile immer mehr Polizeifahrzeuge ein. Hier oben war das Geheul ihrer Sirenen nur schwach zu vernehmen. Finn fiel ein fernes Blinken am Himmel auf: die Scheinwerfer eines Hubschraubers, der soeben über der Stadt herangeschwirrt kam.
    Er bückte sich nach dem Zylinder, der bis in die Ecke gerollt war, wo die Fensterfront auf die Zimmerwand traf, und hob ihn auf.
    Wie stellte sich die Lage momentan dar?
    Auf der anderen Seite würden Miss Campbell und ihre Freunde vermutlich gerade die Treppe hinunterlaufen, so schnell sie nur konnten.
    Es sei denn, sie hatten beschlossen,

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