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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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zu bleiben und die Sache an Ort und Stelle auszufechten.
    Finn drehte sich langsam im Kreis herum und ließ den Blick schweifen, während er sich bildlich vorstellte, wie die Wohnung im ruinierten Zustand aussah, pechfinster und entkernt, kalt und feucht. Und ohne jede Möglichkeit, sich irgendwo ungesehen auf die Lauer zu legen. Gesetzt den Fall, die anderen lauerten ihnen auf jener Seite tatsächlich auf, wo würden sie sich dann postieren?
    Er setzte seine langsame Drehung fort. Und hielt dann inne. Blickte durch den Flur zur Wohnungstür, hinter der sich der äußere Korridor und das Treppenhaus befanden.
    Er dachte kurz nach. Ja, das war folgerichtig. Etwas anderes kam eigentlich gar nicht in Frage.
    Er wandte sich wieder um, musterte die Suite im Hier und Jetzt. Sah zu dem Durchgang in der Wohnzimmerwand, der einen Blick durch die gesamte Zimmerfolge gewährte, bis zum letzten Raum am hinteren Ende der Wohnung.
    Dem Raum, der vom Treppenaufgang am weitesten entfernt war.
    Er gab seinen Männern Zeichen, ihm zu folgen, und setzte sich in Bewegung. Sie schlossen sich ihm an, die Pistolen wachsam im Anschlag. Fünfzehn Sekunden darauf kamen sie in dem Raum an, einem kleineren Wohnzimmer mit Korbmöbeln und leuchtend gelben Wänden. Am Fenster befanden sich Vorhänge aus schwerem Leinen.
    Finn setzte sein Nachtsichtgerät auf, das er um den Hals baumeln hatte. Seine Männer folgten seinem Beispiel. Er hob den Zylinder. Legte den Finger auf den AN -Knopf.
    Und zog ihn dann wieder zurück. Etwas Offensichtliches war ihm aufgefallen.
    «Zieht die Vorhänge zu», sagte er. «Und schaltet alle Lampen aus.»
     
    Travis wartete. Sein Hemd war mittlerweile vom Regen völlig durchnässt. Die Nachtluft mochte eine Temperatur von etwa fünfzehn Grad haben, fühlte sich aber der Feuchtigkeit wegen empfindlich kühler an.
    Nach wie vor spähte er in der Dunkelheit wachsam in alle Richtungen. Wie lange kniete er nun schon hier? Schwer zu sagen. Drei oder vier Minuten mindestens. Paige und Bethany waren wahrscheinlich schon fast im Erdgeschoss angekommen.
    Travis legte lauschend den Kopf schräg. Er hatte etwas gehört. Ein klagendes Geräusch, irgendwo in der Ferne, abwechselnd an- und abschwellend. Eben noch auszumachen im rauschenden Regen. Es erinnerte ihn an das Geheul der Wölfe in den Trümmern Washingtons, aber die Tonlage war höher. Kojoten vielleicht. Oder auch bloß der Wind, der durch die Stahlträger heulte.
     
    Paige zählte die Stockwerke, während sie mit Bethany die Treppe hinunterlief. Garners Wohnung befand sich im dreißigsten Stock. Inzwischen hatten sie dreiundzwanzig Stockwerke zurückgelegt.
    Der Abstieg war mühsamer, als sie es sich ausgemalt hatte. Die Metallstufen waren nass und rutschig vom Regen, und auf manchen Etagen fehlte das Geländer. Sie versuchte sich vor Augen zu rufen, wie der Treppenaufgang ausgesehen hatte, als sie bei Tageslicht hinaufgestiegen waren. Waren sie an Treppenabsätzen vorbeigekommen, die verformt oder sonst wie beschädigt gewesen waren? Nein, sie konnte sich nicht entsinnen, dergleichen gesehen zu haben, sonst hätte es sich ihr eingeprägt; sie wurde aber trotzdem das Gefühl nicht los, dass da irgendetwas war. Etwas, das ihr auf dem Weg nach oben aufgefallen war, obwohl es zu dem Zeitpunkt nicht weiter von Belang gewesen war. Jetzt im Dunkel aber könnte es durchaus von Belang sein.
     
    Travis maß dem klagenden Geräusch, das nur ganz schwach an sein Ohr drang, vorerst keine Bedeutung zu, obwohl es ihn im Stillen irgendwie beunruhigte.
    Jetzt hörte er noch etwas anderes. Ganz schwach nur, zunächst. Eine Art Trommeln. Ein bisschen so, als wäre der Regen stärker geworden – doch davon nahm er auf seiner Haut nichts wahr.
    Dann wurde das Geräusch ein klein wenig lauter, und er erkannte plötzlich, was er da hörte.
    Und da wurde ihm klar, dass er übel in der Falle saß.
     
    Als Paige auf den Treppenabsatz im vierten Stock trat, passierte es. Sobald ihr Fuß den Boden berührte, fiel ihr schlagartig wieder ein, wonach sie gerade ihr Gedächtnis durchforstet hatte und warum es von Belang war – aber nicht, weil es dunkel war, sondern weil es regnete.
    Es war ein Ahornzweig, an dem sich noch einige Blätter befanden. In der diesigen Helligkeit des Nachmittags hatten sie, zusammengerollt und feucht, keine Gefahr dargestellt. Bloß etwas, das man, kaum dass man darüber hinweggestiegen war, gleich wieder vergessen hatte.
    Jetzt aber waren die Blätter vom Regen

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