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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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Audra ebenso wenig. Schon ehe sie dem
Independent
diesen Aufsatz zur Veröffentlichung angeboten haben, dürfte ihnen klar gewesen sein, dass der Vorschlag, Krisenherde unter Zuhilfenahme von Satelliten mit Niederfrequenzwellen ruhigzustellen, politisch niemals durchzusetzen sein würde. Wobei ich bezweifle, dass das überhaupt ihr Ziel war. Das Thesenpapier sollte wahrscheinlich bloß das Thema auf die Agenda setzen, einen Denk- und Diskussionsanstoß liefern, vor allem in industriell einflussreichen Kreisen, die ein Interesse an der umrissenen Technologie entwickeln könnten. Es ging nur darum, den Ball ins Rollen zu bringen, damit irgendjemand diese Niederfrequenzsatelliten am Ende tatsächlich bauen würde, weil das der kritische Punkt des eigentlichen Plans war. Als der Aufsatz abgelehnt wurde und Audras Vater die Sache rigoros vertuscht hat, müssen sie also den Entschluss gefasst haben, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Audra hatte alle möglichen Gründe dafür, ihre Dozentenstelle in Harvard aufzugeben und stattdessen bei Longbow Aerospace anzufangen. Um sich wieder der Gestaltung von Satelliten zuzuwenden, um Industriekontakte zu knüpfen, parallel zu den politischen Kontakten, die Finn knüpfte, all so etwas. Und irgendwann hatte sie die Unternehmensleitung dann so weit, genau die Satelliten zu bauen, die sie wollte, getarnt als Kommunikationssatelliten, die zu diesem Zweck fast gar nicht zu gebrauchen waren. Ihren Tod wird sie, schätze ich mal, vorgetäuscht haben, damit ihre Rolle bei dem Projekt geheim bleiben konnte. Weil sie noch für Jahre viel Arbeit zu erledigen hatte und keine Lust gehabt haben dürfte, Fragen dazu zu beantworten.»
    Garner dachte weiter intensiv nach. Stellte die Verbindungen her, die Travis Stunden zuvor bei ihm zu Hause hergestellt hatte. Er schüttelte den Kopf. Sah dann Travis an, um ihn zum Fortfahren zu ermuntern.
    «Sie haben erzählt, dass beim anfänglichen Gebrauch von Niederfrequenzwellen in den Fünfzigern bei Mitarbeitern unerwünschte Nebenwirkungen aufgetreten sind, Selbstmorde, aber auch Schübe von Euphorie.»
    Garner nickte.
    «Und dass man in den Jahren danach, als Regierungen das Ziel verfolgten, die Technologie waffenfähig zu machen, herausgefunden hat, wie genau sich bestimmte Reaktionen auslösen ließen und wie man die Intensität steuern konnte.»
    «Jawohl.»
    «Ein globales Netzwerk von Satelliten mit dieser Fähigkeit könnte also die Stimmung auf der gesamten Welt beeinflussen, zonenweise, von selbstmordgefährdet bis hin zu euphorisch in den Straßen tanzend. Ganz nach den Wünschen derer, von denen es gesteuert wird.»
    «Ich nehme es an.»
    «Na gut. Dann funktioniert es. Die Technologie könnte dazu benutzt werden, Menschen von A nach B zu treiben. Wie eine Viehherde. Ganze Bevölkerungen, alle gleichzeitig.»
    Garner zog die Augenbrauen zusammen, als würde er dieser Aussage zustimmen, aber nicht ganz verstehen, warum das von Belang war.
    «Versetzen Sie sich nur einmal in einen x-beliebigen Menschen», sagte Travis. «Wie würde es sich anfühlen, von dieser Technologie ins Visier genommen zu werden? Heute ist noch alles in Ordnung. Am nächsten Tag wacht man auf und hat nicht mal mehr Lust, sich auch nur zu bewegen. Man liegt da und fühlt sich elend, aber beim Gedanken daran, aufzustehen, fühlt man sich noch elender. Warum, weiß man selber nicht, es ist einfach so. Man ist unendlich gedrückter Stimmung und hat das Gefühl, dass es nichts auf der Welt gibt, was einen je wieder fröhlich stimmen könnte. Dass man jeden Antrieb verloren hat. Man wird von einer Traurigkeit gelähmt, wie man sie noch nie zuvor erlebt hat. Sie hat keinen greifbaren Grund. Ist einfach nur da. Lässt sich aber auch dann nicht verscheuchen, wenn man sich das vor Augen hält. Man liegt da, denkt darüber nach, und so langsam bekommt man es mit der Angst zu tun. Weil man merkt, dass man ein ernsthaftes Problem hat und vielleicht besser einen Fachmann zu Rate ziehen sollte. Und zwar möglichst bald, weil man nicht weiß, was man sich am Ende noch antun könnte, wenn diese Stimmung noch sehr viel länger anhält. Nun stellen Sie sich vor, Sie würden in den darauffolgenden Stunden herausfinden, dass es nicht nur Ihnen so dreckig geht. Sondern allen Menschen, überall, genau gleichzeitig. Stellen Sie sich das bildlich vor. So realistisch wie nur möglich. Malen Sie sich die Reaktion der Leute aus. Alle würden zwar merken, dass hier irgendetwas vor sich geht,

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