Dystopia
Mist», sagte Garner.
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Eine halbe Stunde später befanden sie sich in der Luft. Travis’ F-15E hob als dritte Maschine von der Piste ab. Ihre Räder verließen den Asphalt, und gleich darauf hatte Travis das Gefühl, platt auf dem Rücken zu liegen und ungefähr fünfhundert Pfund zu wiegen. Vor ihm befanden sich vier grün leuchtende Bildschirme voller ihm rätselhafter Daten und Zahlen. Nur der Höhenmesser war auf Anhieb zu identifizieren: Diese Zahl wuchs rasch.
In dreißigtausend Fuß Höhe beendete der Kampfjet seinen Steigflug. Travis schaute nach links und rechts und sah den südlichen Küstensaum von Long Island, der weit unten in der Tiefe vorüberzog. Nach Westen hin verlief eine ununterbrochene Lichtspur auf das riesige, hell erleuchtete New York zu und schlängelte sich dann die Küste hinunter, wo sie sich in der dunklen, dunstigen Sommernacht verlor.
Vor ihnen sah Travis die Lichtpunkte der Triebwerke der ersten beiden Jets. Kurz darauf schloss seine Maschine auf und setzte sich neben die beiden anderen Jets. Nach drei Minuten hatte sich auch der letzte der fünf übrigen Jets der Formation angeschlossen, und dann hatte Travis erneut das Gefühl, auf dem Rücken zu liegen, diesmal nicht, weil sie sich im Steigflug befanden, sondern der Beschleunigung wegen. Alle acht Kampfjets beschleunigten bis annähernd auf ihre maximale Reisegeschwindigkeit, über dreimal schneller als jede Art von Privatjet, in der Finn gerade unterwegs sein mochte. Travis hatte es bereits im Kopf überschlagen. Trotz Finns Vorsprung von neunzig Minuten würden er, Garner und seine Leute fast vier Stunden vor ihm in Arica ankommen. Eine phantastische Aussicht, bei der Travis es geradezu bedauerte, fünfzehn Jahre lang im Gefängnis gesessen und keine Steuern gezahlt zu haben.
Die Fliehkraft, die ihn in den Sitz presste, ließ nach, sobald der Jet die Beschleunigungsphase abgeschlossen hatte. Er starrte noch einmal zum Küstensaum hinunter, der bereits ein ganzes Stück hinter ihnen lag. Blickte auf Manhattan hinab und dachte an Paige und Bethany, die in den dunklen Ruinen der Stadt umherirrten. Kaum vorstellbar, dass sie auch nur noch einen Funken Hoffnung verspürten.
Travis sah lange auf den Atlantik hinab, der pechschwarz unter ihnen lag, bis ihn Müdigkeit überkam. Er schloss die Augen und döste ein. Als er wieder aufwachte, schon nach wenigen Minuten, so kam es ihm vor, vernahm er das laute Heulen der Triebwerke, die soeben rapide gedrosselt wurden. Er sah hoch und konnte durch das gewölbte Kabinendach aus Plexiglas, in dem sich die Instrumentenanzeigen spiegelten, den Umriss eines gewaltigen, viermotorigen Flugzeugs oberhalb und direkt vor der F-15E erkennen. Er sah, wie von oben ein Luftbetankungsausleger ausgefahren wurde, der nahe der Spitze zur Stabilisierung mit kleinen Tragflügeln versehen war.
Travis lehnte sich etwas zur Seite, um an dem Vordersitz vorbei einen Blick nach vorn zu erhaschen, und sah die Hand des Piloten, der den Steuerknüppel fast unmerklich bewegte, ruhig, aber trotzdem spürbar angespannt.
«Wie oft muss man so ein Manöver durchgeführt haben, um so etwas wie Routine zu entwickeln?», fragte Travis.
«Ich verrat’s Ihnen, wenn ich irgendwann so weit bin», antwortete der Pilot.
Seinem Tonfall nach war das offenbar kein Scherz. Travis entschied sich, den Piloten lieber nicht mit weiteren Fragen abzulenken.
Sie erreichten Arica eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang. Von oben bildete die Stadt einen breiten Halbmond aus Licht, der sich um eine Meeresbucht schmiegte. Von der Wüste, die sich dahinter schwarz und formlos unter dem tiefroten Himmel dehnte, vermochte Travis noch keinen rechten Eindruck zu gewinnen. Nur ihre Leere nahm er wahr.
Die Kampfjets landeten. Nachdem ihre Passagiere ausgestiegen waren, starteten sie umgehend wieder und waren innerhalb weniger Minuten verschwunden.
Eine Anzahl Sicherheitsbeamter des Flughafens erwartete sie bereits, zusammen mit Vertretern der städtischen Polizei sowie Beamten der chilenischen Bundespolizei. Garner sprach etwa zehn Minuten lang mit ihnen, allein, Travis und die Leute vom Secret Service ließen sich ein Stück weiter weg auf Bänken nieder. Er sah zu Garner hinüber, während der sein Anliegen vortrug. In einem fremden Land zu landen und dort um die Erlaubnis nachzusuchen, den Passagier eines Privatflugzeugs, das sich gerade auf dem Weg hierher befand, persönlich in Gewahrsam nehmen zu dürfen – und obendrein in der
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