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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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die Iris schon geöffnet?
    Falls Finn sie von dem Zylinder getrennt hatte, als das Flugzeug gerade in seiner Drehung innehielt, könnte sich die Öffnung jeden Moment schließen.
    Was würde einem wohl passieren, wenn sich die Öffnung genau in dem Moment schloss, während man halb hindurch war? Mit einem Sperrmechanismus wie bei einer sich schließenden Aufzugtür war bei der Iris wohl eher nicht zu rechnen.
    Travis zögerte nicht lange. Stürzte an den Flammen vorbei durch den Rauch auf die Iris zu, riss die Arme nach vorne, die MP weiter in der Rechten haltend, und hechtete durch die Öffnung.
    Gleißende Helligkeit empfing ihn auf der anderen Seite. Da zog sich die Iris auch schon zusammen, er spürte, wie der Rand gegen eins seiner Schienbeine schlug, konnte gerade noch die Füße nachziehen, und dann war er hindurch. Er sah den Boden auf sich zukommen – nicht aus schwarzem Asphalt, wie auf der Rollbahn der Gegenwart, sondern aus regelmäßig angeordneten Pflastersteinen. Instinktiv riss er die linke Hand vor, um die Wucht des Aufpralls zu mildern, ohne die MP loszulassen, die er in der Rechten hielt. Er knallte aufs Pflaster, stützte sich kurz ab und rollte sogleich auf die Schulter, ein vielleicht nicht sonderlich anmutiges, aber dafür zweckdienliches Manöver, bei dem er schließlich auf dem Rücken landete. Die MP schlug dabei zwar auf das Pflaster auf, ging aber gottlob nicht los. Er drehte sich auf die andere Seite und richtete sich zu einer halb kauernden Haltung auf, während er bereits in alle Richtungen nach Finn Ausschau hielt.
    Aber er konnte so gut wie nichts sehen, dazu war der dunkle Rauch zu dicht, der aus der jetzt verschwundenen Iris herübergezogen war. Alles, was er erkennen konnte, waren flache, kastenartige Formen, die in drei bis sechs Metern Entfernung ringsherum verteilt standen. Sie waren etwa hüfthoch und wirkten wie eine Barriere, hinter der der Rauch im Wind umherwirbelte, ohne so rasch abzuziehen.
    Travis machte einen Schritt nach vorn und hörte, wie sein Fuß gegen etwas Kleines, Metallisches stieß, das über die Pflastersteine davonhüpfte, ehe er einen Blick daraufwerfen konnte. Vom Klang her hatte er es jedoch auch so schon längst identifiziert: eine Patronenhülse. Er sah zu Boden. Vor ihm lagen noch zwei Hülsen. Er bückte sich und hob sie auf. Kaliber.38. Genau hier an dieser Stelle hatte Finn offenbar irgendwann in den letzten neunzig Sekunden hastig einen Revolver geladen.
    Travis spähte erneut in alle Richtungen. Noch immer keine Spur von Finn. Dafür schälten sich die kastenartigen Formen nun deutlicher aus dem Rauch heraus. Jetzt konnte Travis sehen, dass sie aus Beton bestanden und oben offen waren. Sie waren zur Hälfte mit Erde gefüllt – eine Art Blumenkübel anscheinend, bloß dass sich keine Pflanzen darin befanden.
    Höchste Zeit, in Deckung zu gehen, entschied er, suchte sich wahllos einen Blumenkübel aus und rannte darauf zu, die MP im Anschlag, nur auf die Gefahr hin, dass Finn sich dort bereits verborgen hielt. Er schnellte um die Ecke: Auf der Rückseite befand sich niemand. In geduckter Haltung bewegte er sich an dem Kübel entlang und bog um die nächste Ecke: Auch dort war die Luft rein.
    Er rückte zur nächsten Ecke vor, um die letzte Seite des Kübels in Augenschein zu nehmen. Der Rauch lichtete sich jetzt immer schneller. Diese Art Katz-und-Maus-Spiel war reine Glückssache, wenn nur zwei Personen daran beteiligt waren. Ein Team von vier oder mehr Leuten hätte taktisch vorgehen, sich gegenseitig Feuerschutz geben können, doch als Einzelner war man fast völlig dem Zufall ausgeliefert. Entweder lauerte Finn hinter dieser Ecke oder eben nicht. Falls er dort lauerte, würde er in die andere Richtung schauen – oder eben nicht.
    Travis bog um die Ecke herum.
    Finn hockte tatsächlich dort, anderthalb Meter vor ihm, die Pistole direkt auf Travis gerichtet.
    Drei Sekunden lang starrten sie einander regungslos an.
    Travis sah den Zylinder, ohne seinen Gegner aus den Augen zu lassen; er lag zu Finns Füßen, konnte also nicht ins Kreuzfeuer geraten.
    Travis überlegte rasch. Er könnte jetzt das Feuer auf den Typen eröffnen und die Sache damit aller Voraussicht nach beenden. Doch selbst wenn Finn dabei der halbe Kopf weggepustet wurde, bestand die Gefahr, dass er noch reflexhaft den Abzug seines Revolvers betätigte – und sein Ziel auf diese Distanz auch nicht verfehlte. Wäre es nur um ihn gegangen, hätte Travis dieses Risiko

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