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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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angespanntem Tonfall miteinander redeten. Ein Begriff, der fünf, sechs Mal gefallen war, der Arbeitstitel irgendeines Projekts oder einer Operation möglicherweise, hatte sich ihr besonders eingeprägt. Nur einmal waren die Stimmen kurz etwas lauter geworden und hatten ihr ansatzweise so etwas wie einen Anhaltspunkt geliefert.
    «Sie klingen ziemlich aufgescheucht. Die werden die Sache doch wohl nicht etwa abblasen?»
    «Umbra? Keine Chance.»
    Umbra.
Dieses Wort und der Gesprächsfetzen hatten Paige beschäftigt, bis sie schließlich eingeschlafen war. Jetzt, nach dem Aufwachen, zerbrach sie sich erneut den Kopf darüber. Bemühte sich, irgendeinen Zusammenhang mit dem dürftigen Wissen herzustellen, mit dem sie nach Washington gekommen war.
    Sie drückte das Gesicht an den Fußboden und starrte hinaus auf die Stadt in dem weichen, gelblichen Licht.
    Diese Leute würden sie umbringen. Das stand fest. Nur wann, das war die Frage. Bestimmt schon im Lauf des Tages. Sobald sie ganz sicher waren, dass sie für sie wertlos war. Mittlerweile hatten sie vermutlich mit dem Präsidenten gesprochen und sich zusammengereimt, dass sie ihm bereits alles erzählt hatte, was sie wusste. Immerhin hatte sie selbst um dieses Treffen ersucht; warum sollte sie ihm da etwas verheimlichen?
    Sie verdrängte den Gedanken. Sinnlos, darüber jetzt nachzugrübeln. Stattdessen dachte sie an Bethany. Fragte sich, ob es ihr wohl gelungen war, sich mit dem zweiten Zylinder aus Border Town abzusetzen.
    Da fiel ihr auf, dass sie dem Präsidenten sehr wohl etwas verheimlicht hatte: Den zweiten Zylinder hatte sie mit keiner Silbe erwähnt. Irgendwie hatte sich dazu keine Gelegenheit ergeben. Nur aus Vorsicht und aus ganz pragmatischen Erwägungen hatte sie ihn in Border Town zurückgelassen. Weil immer etwas schiefgehen konnte. Deprimierend, wie oft sich dann so etwas als goldrichtig herausstellte.
    Falls Bethany sich hatte absetzen können, war sie jetzt vermutlich schon bei Travis in Atlanta. Dann wussten sie vielleicht bereits, was es mit dem Zylinder auf sich hatte. Wie das Ding grundsätzlich funktionierte, war schließlich leicht zu verstehen. Aber was war mit allem Weiteren? Würden die beiden auch dahinterkommen, wie sie danach vorgehen mussten – die Aspekte eingeschlossen, an denen Paige sich bisher selbst die Zähne ausgebissen hatte?
    Und ob ihnen wohl klar war, wie verdammt wenig Zeit ihnen dazu blieb?

7
    Ein Stück die Vermont Avenue hinauf gab es ein Ritz-Carlton. Travis und Bethany buchten die Präsidentensuite im neunten Stock – Renee Turner zahlte schließlich, und ein billigeres Zimmer wäre für jemanden wie sie nicht in Frage gekommen. Die weitläufige Suite, einhundertsechzig Quadratmeter groß, verfügte über Fenster nach Süden und Westen. Sie hatten freie Sicht auf das grün schimmernde Hochhaus und auch auf die Ecke im achten Stock oberhalb des Kreisverkehrs. An dem Gebäude vorbei konnten sie die Vermont Avenue bis zum Weißen Haus hinuntersehen. Die Flagge auf dem Dach dort flatterte heftig im Wind.
    Sie setzten sich auf eins der Ledersofas, öffneten den Rucksack vor sich auf dem Boden und legten den schwarzen Zylinder auf das Sitzpolster zwischen sich. Starke Hitze strahlte von ihm ab, wie von einem abkühlenden Motorblock.
    Endlich konnte Travis sich das Teil bei Tageslicht genauer ansehen. Der Zylinder war ganz verschrammt und zerkratzt, wie das seit Jahren vielbenutzte Elektrowerkzeug eines Handwerkers. Dass diese Gebrauchsspuren von jemandem bei Tangent stammten, hielt Travis für ausgeschlossen; er hatte seinerzeit erlebt, wie übervorsichtig man in Border Town mit Entitäten umging. Die Kratzer und Schrammen konnten nur von den ehemaligen Besitzern auf der anderen Seite des Portals stammen. Wer – oder was – auch immer sie waren, dieses Ding hatte offenbar bei ihnen einen ähnlichen Stellenwert wie eine schnurlose Bohrmaschine oder eine Radialsäge bei Menschen.
    Travis betrachtete die Schildchen, die Paige oder jemand anderes neben die drei Bedienungsknöpfe geklebt hatte. Bei der Autofahrt am frühen Morgen hatte er sie nur mit einem flüchtigen Blick streifen können.
    AN
    AUS
    AUS (TRENNEN/VERZÖGERN – 93   SEK .)
    Nur kurz überlegte er, was TRENNEN / VERZÖGERN wohl genau bedeuten mochte. Sinnlos, darüber zu spekulieren, solange sie nichts über die Funktion der Entität wussten.
    Von den Knöpfen mit den eingekerbten Symbolen abgesehen, wies der Zylinder nur noch eine weitere Auffälligkeit

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