Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
Vom Netzwerk:
wieder in der Öffnung auf und fing an, blindlings in rascher Folge in den Raum zu feuern.
    Finn warf sich auf den Boden und suchte Deckung hinter dem Sofa. Als er das trockene Klicken der SIG hörte, weil das Magazin leergeschossen war, kam ihm der Gedanke, sich aufzurichten und eilig die AUS -Taste an dem Zylinder zu drücken, doch von draußen hörte er bereits, wie das Magazin der SIG mit einem metallischen Geräusch herausgeschüttelt und umgehend durch ein neues ersetzt wurde. Gleich darauf krachte die nächste, scheinbar wahllose Salve von Schüssen ins Büro. Finn zählte sieben Schüsse. Dann trat Stille ein. Was merkwürdig war: weil sich im Magazin einer SIG P220 acht Kugeln befanden. Finn blickte hoch und sah, dass Kaglan seitlich am Körper getroffen worden war; er blutete heftig und versuchte mühsam, sich aufzurappeln. Und dann traf der achte Schuss Kaglan an der Schläfe und riss ihm den halben Schädel weg.
    Finn sprang auf und hechtete zu dem Walnussholztisch mit dem Zylinder. Diesmal würde das Nachladen länger dauern – weil der Schütze das nächste Magazin, falls er überhaupt noch eins hatte, erst aus der Hosentasche würde kramen müssen. In dem Sekundenbruchteil, ehe er mit dem Daumen die AUS -Taste drückte, sah Finn hoch und erhaschte einen Blick auf die Öffnung. Der Schütze hatte sich wieder zurückgezogen, aber die Frau, Paige Campbell, war eben noch sichtbar, zusammengekauert auf dem schmalen Stahlträger. Sie blickte Finn in genau dem Moment an, als er auf den Knopf drückte, und während die Öffnung vor seinen Augen zusammenschnurrte, sah er noch, wie sie die Hand hochriss – und ihm den Mittelfinger zeigte.

20
    So schnell sie konnten liefen sie zur Ruine des Ritz-Carlton zurück. Dort machten sie keuchend halt, wandten sich um und spähten angespannt die Straße hinunter. An dem teilweise durch die Birken verdeckten Gerippe des Hochhauses suchten sie nach Anzeichen dafür, ob die andere Iris mit Hilfe des Zylinders, der sich weiterhin in Finns Besitz befand, erneut geöffnet worden war. Grelles, punktuell aufblitzendes Sonnenlicht etwa. Aber sie sahen nichts.
    Über die Eiche kletterten sie zu den Stahlträgern im zweiten Stock des Ritz hoch, wo Bethany ihren eigenen Zylinder anschaltete. Eine halbe Minute später standen sie an den Fenstern des Hotelzimmers und spähten nach Süden zu dem im Sonnenschein schimmernden Hochhaus. Sie waren zurück in der Gegenwart.
    Dort schien alles ruhig. Niemand kam heraus, niemand ging hinein. Von Polizeifahrzeugen keine Spur. Was Travis nicht sonderlich wunderte – in dem Gebäude war es vermutlich eher unüblich, bei Notfällen die Polizei zu rufen.
    Er bekam mit, wie Paige sich ihm zuwandte, und sah sie an. Vom Laufen waren sie beide noch ganz außer Atem. Travis meinte, einen gewissen Widerstreit der Gefühle in ihrer Miene zu erkennen. Als wäre sie zwar fassungslos, aber auch kein bisschen erstaunt über das, was da gerade geschehen war. Gleich darauf schüttelte sie einfach nur den Kopf. Legte erst Bethany und dann Travis den Arm um die Schultern und drückte sie beide fest an sich. So standen sie über eine Minute lang da, ohne ein Wort zu sagen.
     
    Mit Bethanys Handy, das abhör- und überwachungssicher war, rief Paige in Border Town an. Sie schaltete den Lautsprecher ein. Beim zweiten Klingeln meldete sich eine Frau.
    «Ja, Bethany?»
    «Nein, Evelyn. Hier ist Paige.»
    Travis hörte, wie am anderen Ende halb überrascht, halb erleichtert reagiert wurde.
    Nach kurzem Schweigen fragte Evelyn: «Sind die anderen bei Ihnen?»
    Paige schloss die Augen. «Nein. Sie sind tot.»
    Einige Sekunden lang blieb es still.
    «Bethany hat mir erzählt, dass rund um Border Town ein Blockadering gelegt worden ist», sagte Paige.
    «Ja. Mit Kampfjets. Bislang kreisen sie noch außerhalb unseres Luftraums.»
    «Hat sich der Präsident vielleicht bei euch gemeldet?»
    «Nein. Hier hat sich niemand gemeldet.»
    Paige dachte kurz nach. Nickte dann vor sich hin. «Alles klar.»
    «Was ist los, Paige? Worum geht es hier eigentlich?»
    «Es würde etwas dauern, das alles zu erklären, aber dazu ist jetzt leider keine Zeit. Ich muss dringend wohin. Wenn das erst vorbei ist, erkläre ich Ihnen alles.»
    «Dann nur noch eine letzte Frage», sagte Evelyn.
    «Klar.»
    «Falls das Militär uns angreifen sollte und wir können nichts dagegen unternehmen – sollen wir dann auf Plan B zurückgreifen?»
    Paige stieß langsam die Luft aus. Ging ein paar

Weitere Kostenlose Bücher