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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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können: über fünftausend Tonnen. Dieses ungeheure Gewicht hatte das Gebäude vermutlich bald zum Einsturz gebracht, als erst einmal der Rostfraß einsetzte.
    Paige stützte sich auf den Rand der Öffnung und lehnte sich vor, um nach einer Stelle Ausschau zu halten, auf die sie hinaustreten könnte. Der dicke Stahlträger, der zur Fassade hin den Abschluss des obersten Stockwerks bildete, verlief direkt unterhalb von hier, längs der Öffnung. Aus diesem Träger ragten nur noch die Stützstreben des Balkons hervor, die Betonfläche, die sie einst getragen hatten, war längst verschwunden. Eine der etwa fünfzehn Zentimeter breiten Streben, die über den Abgrund ragten wie Planken auf einem Piratenschiff, befand sich direkt vor der Öffnung.
    Paige sah kurz nach unten, fasste das Gitterwerk aus Stahlträgern ins Auge, das fünfzehn schwindelerregende Stockwerke tief bis zum Fundament reichte. Für Höhen hatte sie sich noch nie begeistern können. Sie blickte nach links und rechts an dem Stahlträger entlang, auf den sie nun gleich hinaustreten würde, und musste sich bei dem Anblick stark zusammenreißen.
    Sie atmete tief durch und trat mit einem Fuß durch die Öffnung auf den Stahlträger. Als sie eben den anderen Fuß nachzog, spürte sie, wie Finn sie am Oberarm packte und festhielt, damit sie nicht den Versuch unternahm, nach links oder rechts zu entwischen.
    «Vorwärts, wenn ich bitten dürfte», sagte er und stieß sie heftig am Arm vor.
    Um bei dem Stoß nicht das Gleichgewicht zu verlieren, blieb ihr nichts übrig, als auf die schmale Balkonstrebe zu treten.
    Finn hielt sie weiter am Arm gepackt. Auf einmal nahm Paige eine jähe Vor- und Rückwärtsbewegung seines Körpers wahr, als wenn er mit dem anderen Arm wortlos einen der Wachmänner zu sich gewunken hätte. Sie stellte sich vor, wie der bereits vorab instruierte Mann stumm nickte und schon im Näherkommen seine Beretta zog. Finn stieß sie abermals am Arm vor, sodass sie noch einen zweiten Schritt tun musste. Nun befand sie sich etwa einen Meter weit auf dem schmalen Träger, eben noch in Finns Reichweite. An ein Entkommen war nicht zu denken.
    Finn ließ ihren Arm los.
    Gleich darauf hörte sie, wie hinter ihr die Beretta gespannt wurde.
     
    Finn machte Platz, damit Boyce direkt an die Öffnung treten und sauber zielen konnte. Vor dem Lichtkegel zauderte Boyce kurz, als scheute er davor zurück, mit dem Licht in Berührung zu kommen. Dann aber zuckte er die Achseln, trat ins Licht und stellte sich an die Öffnung.
    Finn beobachtete, wie er seine Beute fixierte. Sah, wie sich ein Ausdruck falscher, angespannter Ruhe auf seinem Gesicht ausbreitete, der weniger auf gelassene Konzentration schließen ließ als auf einen jähen Testosteronschub.
    «Sie ist süß», sagte Boyce. «Haben wir es wirklich so eilig? Ist ja nicht so, als könnte irgendjemand die Leiche finden und auf DNS -Spuren untersuchen.»
    Finn trat einen Schritt auf ihn zu. «Wenn Sie es noch einmal wagen, in meinem Beisein irgendwelche sinnlosen Grausamkeiten von sich zu geben, stehen Sie als Nächster da draußen. Haben Sie das verstanden?» Er sprach ganz ruhig, ohne die Stimme zu heben.
    Boyce sah ihn an. Der Ausdruck überlegener Ruhe war aus seinen Augen verschwunden. «Ja, Sir.»
    «Machen Sie es kurz und schmerzlos. Jagen Sie ihr eine Kugel in den Hinterkopf, mittig in Höhe der Ohren. Schießen Sie nicht daneben.»
    «Ja, Sir.»
    Boyce hob seine Beretta.
    Streckte sie ein Stück durch die Öffnung.
    Entsicherte sie.
    Und da tauchte draußen wie aus dem Nichts eine Hand auf, vom rechten Rand der Öffnung her, packte Boyce am Handgelenk und riss es nach unten. Boyce wollte eben zurückzucken, als eine zweite Hand auftauchte, eine SIG Sauer P220 durch die Öffnung stieß, sie ihm direkt vors Auge hielt und abdrückte. Boyces Schädel explodierte förmlich. Finn wurde von einem Knochensplitter im Gesicht getroffen und taumelte von der Öffnung zurück. Aus dem Augenwinkel bekam er mit, dass Kaglan, der andere Wachmann, an der Tür nach seiner eigenen Pistole griff – aber die SIG zielte bereits in seine Richtung und wurde gleich darauf erneut abgefeuert, dreimal in kurzer Folge. Kaglan schrie auf und ging am Boden in Deckung. Es gelang ihm zwar, das Feuer zu erwidern, aber nur ungenau, die meisten seiner Schüsse verfehlten die Öffnung und durchsiebten die Fensterfront dahinter. Der Schütze draußen zog sich zurück, bis Kaglan die Munition ausging, dann tauchte die SIG

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