Dystopia
Ereignis verstärkt mit Benzin beliefert werden. Man sorgt dafür, dass an sämtlichen Tankstellen noch drei oder vier Tanklastzüge in Reserve stehen. Was auch immer sich zutragen mag, man sieht das Ereignis also vorab kommen. Oder zumindest die Leute an den Schaltstellen der Macht sehen es kommen und treffen Vorkehrungen für eine mögliche Krise. Das klingt ziemlich vage, schon klar, aber die Texte waren, wie gesagt, äußerst lückenhaft. Vielleicht war all das Benzin für Notstromgeneratoren gedacht, haben wir vermutet, nach dem Ausfall der Stromversorgung.»
Bethany wandte sich zu Travis. «Die Autos.»
Er nickte. Da musste es einen Zusammenhang geben.
«Was für Autos?», fragte Paige.
«In Washington war weit und breit nirgendwo ein Auto zu sehen», sagte Travis. «Alle Einwohner haben also am Ende die Stadt verlassen, aber offenbar in aller Ruhe, nicht panisch oder überstürzt. Die Straßen waren wie leergefegt, wir haben nichts gesehen, was auf einen Verkehrskollaps oder Ähnliches hingedeutet hätte.»
Paige starrte zu der Landebahn hinüber und versuchte, diese Information in einen Zusammenhang mit allem Übrigen zu bringen, was sie wusste. Travis behielt sie genau im Auge. Doch dann schüttelte sie den Kopf, offenbar ebenso ratlos wie er.
«Dadurch klärt sich das Bild auch nicht», sagte sie. «Vielleicht benötigte man das Benzin, um die Städte zu evakuieren, aber in den Artikeln stand nichts, was darauf hingedeutet hätte, warum das notwendig würde.»
«Worauf
haben
die Artikel denn hingedeutet?», fragte Bethany. «Ich meine … abgesehen von dem Wenigen, was ihr zweifelsfrei herausgesiebt habt. Ließen sich denn nicht zumindest Andeutungen herauslesen, was da eigentlich genau passiert ist?»
Paige dachte eine ganze Weile nach. Auf der anderen Seite des Flughafens beschleunigte unterdessen eine 737 und hob vom Boden ab.
«Wir hatten den Eindruck, dass es keine Naturkatastrophe war», sagte sie schließlich. «Sondern eher etwas, das … fehlgeschlagen war. Etwas wie ein Plan. Ein sehr großer, sehr geheimer Plan, der auf jede nur denkbare Weise kolossal fehlgeschlagen war. Was zwar aus keiner einzigen Textpassage eindeutig hervorging, aber … der allgemeine Tenor ließ das irgendwie vermuten. Es ließ sich überall mehr oder weniger herauslesen. Und gegen Ende wurden die Artikel dann immer spärlicher und kürzer, enthielten kaum noch Text, der sich irgendwie auswerten ließ. Und dann hörten sie einfach auf. Der letzte Text, den jemand über diesen Satelliten abgesetzt hat, war auf den 28. Dezember datiert. Was auch immer
Trüber Dezember
genau sein mag … gewesen sein mochte … oder noch sein wird, es dauert von Anfang bis Ende ungefähr vierundzwanzig Tage. Und dann hören Menschen auf, Zeitungsartikel zu verfassen und die Umlaufbahnen von Satelliten zu korrigieren. Und irgendwann hören sie dann anscheinend auch mit allem anderen auf.»
Sie stierte ins Leere. Schüttelte den Kopf. «Deshalb haben wir uns als Erstes an den Präsidenten gewandt. Weil er ja wohl die beste Ansprechperson sein dürfte, wenn es um irgendwelche geheimen, hochgefährlichen Projekte geht, die in den nächsten Monaten fehlschlagen könnten. Ich hatte irgendwie die Erwartung, dass er uns sofort aufklären würde, nachdem wir ihm den Zylinder vorgeführt und alles erzählt hätten, was wir wussten. Weil vielleicht das Verteidigungsministerium irgendein streng geheimes, hochriskantes Programm vorbereitet hätte, das demnächst in die Tat umgesetzt werden sollte, und er würde sofort einen Zusammenhang dazu herstellen. Und dann würde er das Programm stoppen. Ganz einfach.»
«Sieht so aus, als hätte er diesen Zusammenhang in der Tat hergestellt», sagte Travis. «Bloß deine letzte Hoffnung hat sich nicht erfüllt.»
«Aber warum will er es denn nicht stoppen?», fragte Bethany. «Warum um Himmels willen nimmt er lieber in Kauf, dass die Welt untergeht?»
«Weil er vermutlich denkt, dass sich die Gefahr immer noch umgehen lässt, ohne diese Sache zu stoppen», sagte Paige. «Gestern Nacht, als ich gefesselt in diesem Hochhaus in Washington lag, habe ich ein kurzes Gespräch mitbekommen, das in die Richtung ging. Das Projekt, oder was auch immer es sein mag, trägt den Decknamen
Umbra
. Mehr als diesen Namen aber weiß ich auch nicht.»
Wieder senkte sich längeres Schweigen herab. Die nächste Verkehrsmaschine kam herunter und landete dröhnend.
«Dann ist es wohl am sinnvollsten, nach Yuma zu reisen»,
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