E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
ich dann auch wieder nicht, wie du vielleicht denkst“, untertreibt er. „Mein Velo hat einen kleinen eingebauten Elektromotor. Das erleichtert das Treten ungemein. Der Motor verstärkt aber nur meine Tritte. Wenn ich nichts tue oder zu wenig Kraft in die Pedale lege, komme ich auch nicht den Berg herauf. Also der Motor hilft, aber er nimmt mir die Arbeit nicht ab. Ob ich den Simplonpass schaffe, das muss ich erst noch sehen. Vielleicht werde ich dann den Pass hoch auch noch zum Wanderer.“
Sie strahlt ihn an. Martin empfindet hohe Sympathie für sie. Seine Vermutung wird bestätigt. Sie schwingen beide auf derselben Wellenlänge.
„Wie kommt es, dass du alleine auf Tour bist, hatte dein Mann keine Lust mitzukommen?“ Martin setzt es als selbstverständlich voraus, dass eine so charmante Frau im besten Alter einen festen Partner hat.
„Wenn ich ihn inständig zum Mitkommen aufgefordert hätte, wäre er sicher mitgekommen“, gibt sie zur Antwort.
„Warum hast du ihn nicht gefragt, gab es Knatsch zu Hause, vor dem du fliehst?“, fragt Martin nach.
„Aber nein, überhaupt nicht“, antwortet Melanie, „aber nach über 20 Jahren Ehe und Kinder erziehen muss ich einfach mal etwas Abstand von daheim gewinnen. Deshalb wollte ich mal ganz bewusst alleine auf Tour gehen. Weißt du, ich bin jetzt 45 Jahre alt. Meine jüngste Tochter ist 15, da will ich wieder in den Beruf einsteigen. Deshalb habe ich mir diese Tour gegönnt.“
„Wie viel Kinder hast du?“, fragt Martin.
„Drei, der Älteste ist 20, meine größere Tochter ist 18. Ich bin Krankenschwester und war die letzten 20 Jahre nicht mehr im Beruf. Meine Kinder betonen immer wieder, dass sie durchaus auch ohne mich zurechtkommen. Sie wollen das jetzt gar nicht mehr, dass ich sie permanent bemuttere. Sie seien jetzt groß genug, dass sie selber auf sich aufpassen können, sagen sie mir immer wieder.“
„Der Sprache nach kommst du aus NRW“, fragt Martin nach.
„Ja, aus Iserlohn“, antwortet Melanie.
Da platzt es aus Martin heraus. „Mit 19 Jahren habe ich mit dem Motorroller schon mal eine Tour durch die Schweiz gemacht und bin dann weiter nach Rimini. Dort habe ich fünf Kinderkrankenschwestern-Schülerinnen aus Iserlohn kenngelernt. Also, du spricht bei mir eine sehr emotionale Erinnerung an. Ich habe damals meinen Motorroller verladen lassen und bin durch den Lötschbergscheiteltunnel gefahren. Das wollte ich heute wieder machen. Aber nachdem ich mich nun verfahren habe, wird die Zeit etwas knapp. Da werde ich wohl jetzt den Lötschbergbasistunnel nehmen. Da komme ich schneller durch den Berg.“ Und bei sich denkt er. ‚Das hat auch noch den Vorteil, dass wir bis Brig den gleichen Weg haben. Da können Melanie und ich ein Stück zusammen reisen. Das wird dann sicher ganz interessant werden‘.
„Da haben wir bis Brig ja genug Zeit, da kannst du mir in aller Ruhe erzählen, was du mit den fünf Kinderkrankenschwestern-Schülerinnen aus Iserlohn alles erlebst hast“, fordert sie ihn auf, seine Erzählung zu beginnen. Das möchte Martin eigentlich gar nicht. Es ist doch eine sehr intime Geschichte. Lieber wäre es ihm, wenn Melanie ihm ihre Geschichte erzählen würde.
„Ich werde von meiner Tour de Suisse ein Buch schreiben“, antwortet Martin, „und in diesem Buch will ich nicht nur über die schöne schweizer Landschaft schreiben, sondern auch über die Menschen, die ich auf dieser Reise getroffen habe. Und daher hoffe ich, dass mir die Menschen, die ich treffe, eine intime und persönliche Geschichte aus ihrem Leben erzählen, über die ich dann in meinem Buch schreiben darf. Das werde ich natürlich so machen, dass keine Person mehr erkennbar ist, also ganz anonym. Wenn du mir eine persönliche Geschichte von dir erzählen willst, dann hast du anschließend bei mir einen Wunsch frei.“
Melanie. „Bist du dir da ganz sicher, dass du mir den Wunsch auch erfüllen und keinen Rückzieher machen wirst? Du solltest wissen, ich bin wahnsinnig anspruchsvoll“, strahlt sie ihn an.
Martin. „Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen, den ich dir auf dieser Reise erfüllen kann. Es gibt nur eine Bedingung. Deine Geschichte muss wahr sein. Ich werde daher immer wieder den Wahrheitsgehalt hinterfragen. Und wenn du nicht die Wahrheit sagen solltest und ich dich bei einer Lüge ertappe, dann habe im Gegenzug dafür ich einen Wunsch bei dir frei. Könntest du das so akzeptieren?“
Melanie ist einverstanden. „Aber zuerst erzählst du mir
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