E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
Gedanken waren immer noch bei Emmanuelle. Das hat ihn daran gehindert, über den richtigen Weg nachzudenken. Na ja, wenn sie dabei gewesen wäre, wäre das nicht passiert. Was tun. Er sieht in Oberhofen nach einem Hafen, den er sogar findet. Der Dampfer kommt aber frühestens in einer Stunde vorbei. Da kann er dann auch gleich weiter fahren.
Der nächste Hafen ist Gunten. Er überlegt sich, ob er um den See herum fahren soll. Zeitlich wird das wohl auf dasselbe hinauslaufen. Aber, denkt er, so eine Dampferfahrt über den Thunersee ist auch ganz hübsch. Er wird in Gunten den Dampfer besteigen, der ihn nach Spiez übersetzen soll.
Im Hafen von Gunten angekommen sucht er einen Platz wo er sein E-Bike anketten kann. Es ist kein Mast oder ähnliches zu finden. So schließt er es einfach nur so ab. Gegenüber dem Hafen ist ein Café mit Freiterrasse.
Plötzlich spürt Martin, dass er beobachtet wird. Es ist so ein merkwürdiges Gefühl. Die Gedanken der Person, welche ihn beobachtet, scheinen Wellen auszusenden. Für diese Art von Wellen ist er offensichtlich sehr empfänglich.
Martin spürt, wie ihn die unbekannten Wellen durchdringen und in Resonanz versetzen. Wesentliche Teile seines Körpers geraten ebenfalls in Schwingung und senden korrespondierende Wellen gleicher Frequenz zurück. Er nimmt die Wellen der ihm noch unbekannten Person in sich auf und sendet diese mit verstärkter Amplitude wieder zurück. Bei der unbekannten Person scheint derselbe Vorgang abzulaufen. Die Amplituden werden immer stärker.
Er schaut auf und begegnet den Blicken einer Frau mittleren Alters. Martin würde eine fremde Person nicht so intensiv anstarren, er empfindet so ein Anstarren immer irgendwo als Angriff auf die Intimsphäre der Person, die angestarrt wird. Aber hier ist die Situation eine andere. Es sind Wellen der Sympathie, die sie sich gegenseitig zusenden.
Martin wendet sich nun wieder seinem Velo zu, nimmt seinen Helm ab und schaut dann wieder zurück zu der Frau, ob sie ihn immer noch anstarrt. Er erwartet, dass sie seinem Blick nun ausweicht und sich einem neutralen Punkt zuwendet. Aber sie macht genau das Gegenteil. Sie schaut ihn jetzt demonstrativ an und beobachtet ihn intensiv.
Sie sitzt auf der Freiterrasse des Cafés. Sie lächelt ihm freundlich zu, so wie man einem alten Bekannten zur Begrüßung zulächelt. Er muss ihre Blicke jetzt erwidern. Martin hat ein schlechtes Personengedächtnis. Kann es sein, dass es eine alte Bekannte von ihm ist, die er eigentlich kennen sollte?
„Kennen wir uns?“, spricht Martin sie darauf direkt an.
„Nicht dass ich wüsste“, antwortet sie freundlich, „aber das können wir ja schnell ändern“, strahlt sie ihn an.
So viel Freundlichkeit hat Martin an diesem kleinen Hafen am Thunersee nun wirklich nicht erwartet. „Ich muss noch ein Ticket für den Dampfer kaufen, würden Sie kurz auf mein Velo aufpassen?“, fragt er sie.
„Gerne“, antwortet sie, „bis gleich.“ Er winkt und geht zum Ticket kaufen.
„Danke fürs Aufpassen“, sagt er, als er zurückkommt und setzt sich zu ihr. „Ich habe mich heute verfahren. Eigentlich wollte ich auf der Südseite des Sees von Thun direkt nach Spiez und dann weiter durch den Lötschbergtunnel nach Brig fahren. Nun habe ich versehentlich die falsche Seeseite genommen. Aber so eine kleine Dampferfahrt über den Thunersee ist ja auch ganz hübsch. So bin ich jetzt hier gelandet.“
„Nach Brig will ich heute auch noch, dann weiter nach Andermatt“, antwortet sie ihm. „Ich sehe, Sie haben“, er zögert: „Übrigens, ich heiße Martin, darf ich du sagen?“
„Gerne Martin“, greift sie seine Begrüßung auf, „ich bin die Melanie.“
„Du hast einen Rucksack dabei, machst du eine Wandertour?“, fragt er.
„Ja, ich habe mir einen Swiss Pass gekauft und fahre damit zwei Wochen kreuz und quer durch die Schweiz. Wo es mir gefällt, steige ich aus. Ich kann wegen einer sehenswerten Stadt aussteigen und diese besichtigen, oder ich steige wegen einer schönen Landschaft aus und mache eine Wanderung durch die Gegend. Ich bin flexibel und kann meine Pläne kurzfristig ändern. Morgen will ich den Gotthardpass hoch wandern. Ich kenne den Gotthard bislang nur von unten, aus dem Tunnel. Das geht dann immer so rasend schnell, von der Landschaft sieht man gar nichts.“ Sie lächelt ihm zu. „Und sportliche Radfahrer sieht man im Tunnel natürlich auch keine. Was hast du vor?“
Martin lächelt zurück. „So sportlich bin
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