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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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ständig mit in die Schule genommen.«
    Ich fragte mich, was Bonapart zu einer Kröte auf seinem Pult sagen würde, aber bevor ich mir die Folgen genauer ausmalen konnte, blieb Ella vor einer Tür stehen.
    »Der Doktor sagt, dass Zelda mindestens sechs Wochen keine Touren führen kann!«, flüsterte sie mir zu. »Also hat sie ziemlich schlechte Laune.«
    Ich machte mich aufs Schlimmste gefasst. Aber die alte Frau, die hinter der Tür mit bandagiertem Fuß auf ihrem Bett lag, sah nicht besonders furchterregend aus. Zelda glich einer Eule, die aus dem Nest gefallen war. Ihre Brille schien viel zu groß für ihr kleines faltiges Gesicht und die kurzen grauen Haare bedeckten ihren Kopf wie zerrupfte Federn. Zelda hielt ebenso wenig vom Vorstellen oder Begrüßen wie ihre Enkeltochter.
    »Das ist er?«, fragte sie nur, während sie mich durch ihre dicken Brillengläser musterte.
    »Sei freundlich zu ihm«, sagte Ella, während sie sich an den Fuß des Bettes setzte. »Sein Name ist Jon und diese Geister haben ihm schon genug zugesetzt.«
    Aber Zelda schnaubte nur verächtlich und betrachtete mich so misstrauisch, dass ich rot wurde. Vielleicht las sie mir von derStirn ab, dass ich ihre Enkelin für das hübscheste Mädchen auf der Schule hielt.

    »Hast du nicht erzählt, dass er vier Geister gesehen hat?«, fragte sie und griff nach der Kaffeetasse, die auf ihrem Nachttisch stand. »Ich finde, der Junge sieht so blass aus, als wären ihm ein Dutzend erschienen! Es ist ungewöhnlich, dass sie zu mehreren auftauchen«, stellte sie fest, während sie einen Schluck Kaffee nahm. »Die meisten Geister sind Einzelgänger.«
    »Ella … Ella sagt, Sie hätten schon viele gesehen«, stammelte ich.
    »Oh ja. Ich seh sie überall. Keine Ahnung, warum sie sich ausgerechnet mir so gern zeigen. Ich mag sie nicht mal besonders! Der Erste, den ich gesehen hab, war mein Großvater. Er saß eines Morgens auf meinem Bett, und ich musste mir anhören, dass ihm die neue Frisur meiner Großmutter nicht gefiel. Gewöhnlich geb ich den Rat, sie zu ignorieren, aber Ella sagt, dass die vier, die du gesehen hast, ziemlich unangenehm geworden sind. Also erzähl mir, was genau sie gemacht haben, und ich sag dir, wie du sie loswirst.«
    Zelda unterbrach mich kein einziges Mal, während ich von den Reitern unterm Fenster und der Jagd über den Domhof erzählte. Sie trank nur ihren Kaffee und hob ein paarmal die Augenbrauen (Zelda hat genauso dunkle Brauen wie Ella, allerdings hilft sie mit Farbe nach). Erst, als ich zu der Szene vor der Kathedrale kam, runzelte sie plötzlich die Stirn.
    »Er hat dich Hartgill genannt?«
    »Ja. Es ist der Mädchenname meiner Mutter. Allerdings versteh ich nicht, woher er das weiß.«
    Zelda stellte den Kaffee auf den Nachttisch. »Hol mir die Krücken, die der Doktor dagelassen hat!«, sagte sie zu Ella.
    »Aber du sollst nicht aufstehen!«, protestierte Ella.
    »Bring mir die Krücken!«
    Ella zuckte die Schultern und gehorchte. Ihre Großmutter fluchte vor Schmerz, während sie den Flur hinunterhinkte. Zelda flucht mit Pflanzennamen: Nesseldreck, Stinkwurz, giftiger Sumach. Ihr Vorrat ist unerschöpflich. Sie humpelte geradewegs ins Wohnzimmer. In einem Schrank neben der Tür stehen Karteikästen mit Aufschriften wie Weibliche Geister in Salisbury, Poltergeister von Wiltshire, Geistergeschichten aus Südwestengland oder Spukhäuser in Sussex.
    »Ella!«, befahl Zelda und wies auf einen Kasten, der im untersten Schrankfach stand. Ella warf mir einen besorgten Blick zu, während sie ihn herauszog. Mir gefiel die Aufschrift ebenso wenig: Finstere Geschichten.
    Zelda ließ sich mit einem unterdrückten »Nesseldreck!« ins Sofa sinken und begann, mit gerunzelter Stirn in den Karten zu blättern. Schließlich zog sie eine heraus.
    »Na bitte. Hartgill. Wusste ich’s doch!«, murmelte sie. Dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus.
    »Was?«, fragte ich mit versagender Stimme.
    »Himmel, Jon«, sagte Zelda. »Wieso haben deine Eltern dich ausgerechnet in Salisbury auf die Schule geschickt? Der Ärger war doch vorauszusehen! Kilmington ist nicht mal eine Stunde entfernt.«
    »Kilmington?«, stammelte ich. »Was …«
    »Ruf deine Mutter an«, unterbrach Zelda mich. »Sag ihr, sie soll dich auf eine andere Schule schicken, weit weg von Salisbury.«
    Eine der Kröten auf dem Sofa quakte, als wollte sie Zeldas Vorschlag unterstützen, und ich spürte, wie mir die Knie so weich wie Krötenlaich wurden.
    »Weit weg?«,

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