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E-Book - Geisterritter

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Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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zurück. »Nein. Natürlich nicht.« Und beschloss, fürs Erste keine weiteren Fragen zu stellen.
    Wir nahmen den Eingang in den Kreuzgängen, den auch die meisten Touristen benutzen. Die Steinbögen warfen lange Schatten, und auf dem Rasen zwischen ihnen fing die riesige Zeder, die dort seit Jahrzehnten wächst, die Dunkelheit in ihren Zweigen.
    Bei allen Heiligen, die von den Dächern der Kathedrale auf uns herabstarrten – wen wollte Ella hier treffen? Glaubte sie etwa, dass einer der Priester Stourton verscheuchen konnte? Oder einer der steinernen Engel? Ich sah mich zwischen den Säulen nach dem toten Steinmetzlehrling um, aber Ella winkte mich ungeduldig zum Eingang der Kathedrale.
    Hinter den schweren Türen war es so kühl, dass ich fröstelte, und das Dämmerlicht zwischen den grauen Mauern legte sich wie ein schützender Mantel um meine Schultern, auch wenn mir bei ihrem Anblick die Graue Frau einfiel, von der Ella erzählt hatte.
    Ella zahlte den Eintritt für uns und zog mich den Mittelgang hinunter, der auf den Altar zuführt. In dem Chorgestühl dahinter sang Angus fast jeden Tag die Hymnen, die er im Schlaf vor sichhin summte. Um uns herum wuchsen die Säulen wie Bäume in die Höhe, und über unseren Köpfen verzweigten sich die Streben, die die Decke hielten, als hätten die Säulen steinerne Äste getrieben. Die riesige Kirche war fast leer. Kaum ein Dutzend Besucher verlor sich in ihren Gängen, aber als unsere Schritte durch die Stille hallten, glaubte ich für einen Moment, die Schritte all der anderen zu hören, die seit Jahrhunderten hierherkamen, um für irgendetwas um Hilfe zu bitten.
    Ella blieb stehen. Vor uns krümmten sich die vier Säulen, die das Turmdach der Kathedrale stützen. Sie biegen sich tatsächlich, weil irgendein Bischof sich vor Hunderten von Jahren in den Kopf gesetzt hat, dass die Kathedrale von Salisbury die erste Kirche mit einem spitzen Dach sein sollte. Die zusätzliche Last hat den Turm fast zum Einsturz gebracht. Aber Ella zog mich nicht zwischen die gekrümmten Säulen, sondern zu einem Sarkophag, der rechts von uns vor den Pfeilern stand. Das letzte Tageslicht fiel durch die hohen Kirchenfenster und zeichnete seinen Schatten auf die ausgetretenen Steinfliesen.
    »Das ist er!«, flüsterte Ella.
    Das war wer?
    Auf dem Sarkophag schlief ein Ritter. Er lag ausgestreckt auf dem steinernen Sarg, das Schwert in den behandschuhten Händen, das Gesicht zur Seite gekehrt. Es war unter dem Helm, den er trug, kaum zu sehen. Eine Tafel neben dem Sarg erklärte, dass sein Abbild früher bemalt gewesen war, aber die Zeit hatte die Farben ausgebleicht und seine steinernen Glieder fahlweiß wie die Knochen eines Toten gefärbt.

    »Sein Name ist William Longspee«, flüsterte Ella. »Er war der uneheliche Sohn von Heinrich dem Zweiten und der Bruder von Richard Löwenherz. Er kann dich vor Stourton schützen. Du musst ihn nur rufen!«
    Ich starrte hinunter auf das gemeißelte Gesicht.
    Dafür hatte sie mich hergebracht? Enttäuschung schnürte mir die Kehle zu. Gut, ja. Die letzten zwei Nächte hatten mich für alle Zeit davon überzeugt, dass die Toten sehr lebendig sein konnten. Aber das hier war nichts als eine Figur aus Stein.
    »Für seinen Sohn gibt es auch ein Denkmal in der Kathedrale«, raunte Ella. »Aber er liegt in Israel begraben, weil er in den Kreuzzügen umgekommen ist. Sie haben ihn in Stücke gehackt, sagt Zelda. Ziemlich abscheulich.«
    Draußen starb der Tag und die Kathedrale füllte sich mit Dunkelheit. Wahrscheinlich warteten Stourton und seine Knechte schon auf mich.
    »Verdammt, Ella!«, zischte ich. »Ist das der Ritter, nach dem du Zelda gefragt hast?«
    »Ja. Ich bin sicher, dass die Geschichten über ihn wahr sind. Es hat ihn nur lange niemand mehr gerufen. Und man muss wirklich Hilfe brauchen, sonst kommt er nicht!«
    Zwei Frauen blieben neben uns stehen und begannen, die bildhauerischen Qualitäten von Longspees Grabmal zu diskutieren. Aber Ella blickte sie so finster an, dass sie schließlich unbehaglich schwiegen und weitergingen.
    »Ich hab einen Aufsatz über ihn geschrieben«, flüsterte Ella, sobald wir wieder allein waren. »Er soll einen Eid geschworen haben,als er aus dem Krieg zurückkehrte!« Sie senkte die Stimme: » Ich, William Longspee, werde keinen Frieden finden, bis ich meine Seele reingewaschen habe von allen schandhaften Taten, indem ich den Unschuldigen gegen die Grausamen beistehe und den Schwachen ge-gen die Starken. Dies

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