Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
e-Motion

e-Motion

Titel: e-Motion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Orloff
Vom Netzwerk:
sie.
    Michael
    In der Stille des Zimmers, den Geruch von Jasmin in der Nase, der vom Garten heraufwehte und sich mit der salzigen Luft und dem Feuer und dem Aroma der Saucen aus Marias Küche vermischte, spürte ich, wie sich – von weit her und nicht willkommen – meine Augen mit Tränen füllten. Ich konnte ihm nicht antworten. Noch nicht. Donald Seale, ein schlechtes episches Gedicht, Lou O’Connors finanzielle Probleme, die Totenwache meiner Mutter … das Geschwür, das sich in mir bildete … und ein wunderbar Mann in London schlossen sich sämtlichst gegen mich zusammen, um mich in den totalen Wahnsinn zu treiben.

13. KAPITEL
    I n einer samtenen Truhe werde ich mich bekennen
    still
    versunken
    meine Hostie erwarten
    Zunge nach oben gepresst
    suche ich dich
    für mich
    für alle Ewigkeit.
    Die letzten Riten werden vollzogen
    voller Pein
    geölte Kreuze
    sprechen vom Tod
    flüstern vom Samt
    nutzlose Kreuze
    unerfüllte Versprechen
    an der Wand.
    Auf den Tod folgend
    Tomaten, und ich erinnere dich
    an deinen eigenen Garten Gethsemane
    ein Platz für uns
    der jetzt das Paradies ist
    Niemandsland
    blutgetränkte Erde
    gebacken in Tod
    Asche zu deiner
    Asche
    Staub zu deinem
    Staub.
    Heute tanzt
    ein Kind in meiner Küche
    kann ich zwischen Kartoffelbonsais
    lernen
    reife Tomaten zu essen
    die wieder
    grün werden?
    Lehre mich, Mutter Bekenntnis
    lehre mich, erhöre mich
    berühre mich
    lass mich
    ziehen
    aus dem Paradies
    Hölle
    gefallene Engel
    Wut und Hass
    vermischt mit
    Nichts
    keine Liebe
    nur
    Leben.
    Ich saß da und las Rolands Gedicht. Nein. Lou und ich würden uns aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf seinen Verkäufen ausruhen können. Es gab Zeiten, da hätte ich in unerträglichen Momenten wie diesem meinen Vater besucht. Wir teilten die gleiche Leidenschaft für Schriftsteller und Bücher. Seit ich klein war, erinnere ich mich, wie in jedem Winkel unserer großen Wohnung Bücher standen. Druckfahnen stapelten sich auf seinem abgenutzten Eichentisch und bald auch auf seinem Stuhl. Wenn der ebenfalls bis obenhin voll war, wurden die mit Gummibändern gehaltenen Seiten in den Ecken seines Büros zwischengelagert. Und wenn es keine Druckfahnen waren, waren es eben Kreuzworträtsel.
    „Ein ‚großes südamerikanisches Nagetier‘ mit fünf Buchstaben. Der erste ist ein A“, fragte ich, den Mund halb voll mit Flips und vor mir die Sonntagsausgabe der
New York Times
. Dieses allwöchentliche Ritual hatte sich eingeschliffen, seit ich zehn war.
    „Aguti“, sagte er abwesend und ohne von dem Manuskript aufzusehen, das er gerade in Arbeit hatte. Seine Geistesgegenwart und sein Gedächtnis beeindruckten fast jeden. Nie vergaß er einen Namen oder ein Gesicht. Er erinnerte sich nicht nur an die Geburtstage seiner Assistenten und der Postboten, unserer Hausangestellten und des Portiers, sondern auch an die ihrer Kinder und Frauen und Großmütter. Ich vermutete, er war der einzige Mensch, der den Geburtstag von jedem Bewohner des 212er Postleitzahlenbezirks kannte.
    Wohin nur war dieser Verstand gegangen? Damals war ich gerade von einer Reise mit Lou aus South Carolina zurückgekommen, als Dad mich anrief. Er hatte seinen Schlüssel verloren und musste alle Schlösser austauschen lassen. Das Alter, sagten wir uns. Und dann fand er den Weg vom Oggis, seinem Lieblingsitaliener, nach Hause nicht mehr. Und dann hat er den Geburtstag von Tommy, unserem Portier, vergessen. Und dann den Namen von Tommys Frau. Und dann, eines Tages, meinen eigenen.
    „Ich bin krank, Cass.“ Er sah zu mir auf, im selben Moment erschrocken darüber, dass er sich an meinen Namen erinnerte und gleichzeitig begriff, dass etwas an der Situation ganz und gar ungut war.
    „Ich weiß“, flüsterte ich. Und so wurde ich zu seiner Mutter Bekenntnis. Rolands Gedicht war nicht allzu weit von meinem eigenen Leben entfernt.
    Ich zog nach Florida, weil es für Lou keinen anderen Weg gab. New York war zu angefüllt mit den Erinnerungen an Helen, die wie ein Gespenst durch ihr Backsteinhaus wehten. Ich ging mit ihm, weil er mich fragte und weil wir alle wussten, dass ich eines Tages einen Platz für meinen Vater würde finden müssen. Einen bezaubernden, ruhigen Platz mit freundlichen Menschen, die ihm den Weg zu seinem Zimmer zeigen würden, wenn es nötig wäre. Und so landeten wir auf diesem kleinen rosafarbenen Fleck auf der Karte im Land der Strandhäschen und schwabbeligen Körper, und mein Vater kam nach Stratford Oaks. Hier begann

Weitere Kostenlose Bücher