e-Motion
regelrecht
durchdrehen
, wenn sie wüsste, dass Sie ihr hinterherspionieren. Sie sind ein Voyeur. Los, lassen Sie uns gehen.“
Ich beobachtete, wie er sie anschaute, und in dem Moment begriff ich, warum er ihre Mahlzeiten so klaglos aß. Warum er all die Katzen duldete, obwohl er eine Allergie hatte. Warum dieser Mann sich nicht darüber beschwerte, dass auf jedem freien Platz auf der Küchenzeile Kartoffelbonsais wuchsen. Warum er sich Kaninchen hielt, die auf grüne Badematten kackten.
„Du meine Güte … wie lange lieben Sie sie schon?“
„Lange. Ich weiß es nicht mehr genau.“
Ich setzte mich neben ihn auf den Rasen.
„So lange ich atme, denke ich manchmal. Seit ich sie zum ersten Mal sah, nehme ich an. Aber sie war damals fast noch ein Kind. Und sie ist noch immer … jung. Und ich, meine Liebe, werde alt. Ich habe dieses Leben fast einmal gelebt, während sie mittendrin ist in seinem Tanz.“
„Das Alter spielt keine Rolle. Es kommt auf die innere Verbindung an. Wenn Sie sie lieben …“
„Sagen Sie es nicht. Ich kann nicht. Aber ich dachte, dass Sie … dass Sie mir vielleicht das Tanzen beibringen könnten.“
„Ich tanze nicht.“
„Als Sie hier ankamen, haben Sie gesagt, Sie kennen die Bee Gees.“
„Roland, Maria
tanzt
. Ich hüpfe eher wie eine Giraffe auf Stelzen hin und her. Sie hat den Rhythmus einer Latina im Blut. Das ist kein Mythos. Sie kann Musik
sein
. Wahrscheinlich ist sie mit Salsa und Mariachi groß geworden. Musik begleitete ihr Leben. Ich dagegen kann bloß hinhören und versuchen, den richtigen Takt zu finden.“
„Aber Sie können den Hustle.“
„Vage. Es ist schon eine Weile her.“ Ich erinnerte mich kaum mehr, dass ich ihn getanzt hatte.
„Ich habe den Artikel gelesen, den Sie für das
Esquire
geschrieben haben, als es mit der Discomusik zu Ende ging. Da wusste ich, dass Sie mir helfen können.“
Die ganze Wucht seiner Worte traf mich so unvermittelt, dass es mir den Atem verschlug. Im selben Augenblick frischte die vom Pazifik kommende Brise auf und fuhr sanft durch Marias Vorhänge. Sie trug einen Trainingsanzug, und das offene Haar reichte ihr bis zu den Hüften.
„Ist das der Grund, warum ich hier bin?“
Er antwortete nicht.
„Roland“, sagte ich mit etwas mehr Nachdruck. „Haben Sie Ihren Verleger wegen einer Lektorin ausgesucht, die mal einen Artikel über Discomusik im
Esquire
veröffentlicht hat und darin bedauerte, dass das Zeitalter der Freigeister vorbei sei? Sagen Sie mir, dass Sie Lou, dass Sie mich nicht deswegen wollten, wegen eines Artikels!“
Er seufzte.
Ich fühlte die Post-Tequila-Übelkeit erneut in mir aufsteigen. Ich spürte, wie mein Herz vor Aufregung und Wut wild klopfte. Ich sah ihn an. Und dann, ohne darüber nachzudenken, warf ich mich auf ihn und trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust.
„Sie hundsgemeiner Bastard! Das Gedicht? Wie sollten wir es veröffentlichen? Was ist das alles für Sie? Ein lustiges Spiel?“
„Kein Spiel. Mein Gedicht ist Kunst. Genau wie sie, wenn sie tanzt. Ich brauche Sie. Und West Side braucht mich.“
„Wir brauchen Sie genauso wie den kollektiven Kopfschuss.“
Ich sah zu Maria, die sich jetzt ganz dem Lied von Sister Sledge’s „We Are Family“ hingab. Dann wandte ich den Blick wieder Roland zu. Mein Schädel pochte auf eine Art, die normalerweise den Nachwehen von Silvester vorbehalten waren.
Ich musste nachdenken. Musste denken, während die Takte der Musik durch mein Gehirn pulsierten. Ich zwickte Roland in den Arm. „Ich schlage Ihnen einen Deal vor: Sie schreiben mir ein Buch, das ich verkaufen kann, und ich bringe Ihnen das Tanzen bei.“
„Abgemacht.“
„Schlagen Sie ein.“
Er streckte mir seine Hand entgegen.
„Ich gehe jetzt ins Bett. Morgen bekommen Sie Ihre erste Stunde. Wir müssen es allerdings an einem Ort tun, an dem sie uns nicht hören kann.“
„Wir warten, bis sie in ihrem Cottage ist.“
„Okay, Roland.“
Als ich im Mondlicht zu meinem Zimmer zurückging, sah ich mich noch einmal zu Roland um, wie er vor Marias Haus im Gras saß. Ein Mann, der eine Disco Queen liebte. Keine Kopfschmerztabletten und kein Tequila auf der Welt würden reichen, um mit diesem Irrsinn fertig zu werden.
18. KAPITEL
I ch rief Michael an. Mitternacht bei mir hieß Morgengrauen bei ihm. Rache ist süß.
„Hallo?“ sagte er mit verschlafener Stimme.
„Begrüß den neuen Morgen mit mir, Michael.“
„Cassie!“ Ich hörte, wie ihm der Telefonhörer aus
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