Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Zimmer betritt?«
»Wir bitten untertänigst um Nachsicht, verehrter Schreiberling«, entschuldigte sich der erste Sprecher mit feixender Miene. »Aber wir dachten, du würdest schon geschniegelt und gespornt und mit ungeduldig scharrenden Hufen unserer Ankunft harren. Oder hast du vergessen, dass wir für halb fünf verabredet waren?«
Éanna konnte kaum glauben, dass es schon so spät sein sollte. Aber ein schneller Blick zur Standuhr sagte ihr, dass seit ihrem Eintreffen bei Patrick O’Brien in der Tat schon geschlagene anderthalb Stunden verstrichen waren.
»Was ist, Patrick? Willst du uns nicht endlich deine … deine reizende Bekanntschaft vorstellen?«, fragte der Brillenträger süffisant. »Wir brennen darauf, Näheres über deine geheimnisvolle Unbekannte zu erfahren!«
»Das ist Miss Éanna Sullivan«, stellte Patrick O’Brien sie nun mit leicht verdrossener Miene vor und erklärte mit nachdrücklich steifen Worten: »Sie ist aus Galway vertrieben worden und erst einige Tage in Dublin. Sie sucht hier in der Stadt nach ihrem Verlobten, von dem sie im Dezember getrennt worden ist.«
Éanna, die sich auch schnell von ihrem Sitz erhoben hatte, murmelte hastig und mit glühenden Wangen: »Und ich habe ihn gestern Abend endlich gefunden.«
Patrick O’Brien warf ihr einen kurzen verblüfften Seitenblick zu, um dann fortzufahren: »Miss Sullivan ist so freundlich, mir mit Geschichten aus ihrer Heimat dabei zu helfen, die Hintergründe der Hungersnot und das Leben der Kleinpächter besser zu verstehen.« Dann wandte er sich zu Éanna und stellte ihr mit brummiger Stimme die Namen seiner drei Freunde vor: »Und diese ungehobelten Burschen im feinen Tuch sind Lovett Delaney …«, er wies dabei auf den Mann mit der goldgerahmten Brille, ». . . Cecil McGraw …«, seine Hand deutete kurz auf den Stutzer mit dem spärlichen rötlichen Backenbart, ». . . und Thomas Garrick.«
Éanna nickte ihnen mit wachsender Verlegenheit zu und strich nervös eine Haarsträhne zurück, weil sie nicht wusste, wo sie ihre Hände lassen sollte. Sie fühlte sich unwohl in der Gegenwart dieser arroganten Fremden.
»Also kurz gesagt: die Blüte und Hoffnung des jungen Irland und der Schrecken Albions!«, fügte Thomas Garrick überheblich hinzu.
»So, Ihr seid also erst wenige Tage in der Stadt, Miss Sullivan?«, richtete Delaney, der Brillenträger, sogleich das Wort an sie. Dabei legte er eine kurze, aber merkliche Pause hinter dem »Miss« ein, als wollte er ihr zu verstehen geben, dass ein solch einfach gekleidetes Mädchen wie sie auf diese Anrede eigentlich keinen Anspruch habe. »Nun, dann werdet Ihr vermutlich noch gar nicht wissen, was die großen runden Türme auf den Anhöhen der Dublin Bay zu bedeuten haben, nicht wahr?«
Éanna schüttelte nur stumm den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, wovon er überhaupt sprach. Weder hatte sie bislang die Dublin Bay noch einen dieser Türme zu Gesicht bekommen. Und verstohlen ging ihr Blick zu ihren Sachen hinüber, die auf der Lehne des Sofas lagen.
Sie empfand die Demütigung in Delaneys Worten und überlegte, wie sie sich so schnell wie möglich aus der unangenehmen Lage befreien konnte.
»Nun, manche Iren glauben noch immer, die Wehrtürme sollen unser Land vor Feinden schützen. Aber in Wirklichkeit sind sie zum Schutz gegen die Franzosen oder Amerikaner da, falls sie uns Iren im Kampf gegen unsere Unterdrücker einmal zu Hilfe kommen sollten«, erklärte Lovett Delaney mit sarkastischem Tonfall. »Aber ob mit oder ohne fremde Hilfe, eines Tages werden wir das schändliche Joch der Engländer abwerfen und sie aus dem Land jagen!« In seinen Augen stand auf einmal blanker Hass.
»Ja, zum Teufel mit den verfluchten Engländern! Die ganze Stadt wimmelt nur so von ihren Rotröcken, damit wir auch zu keiner Tages- und Nachtstunde vergessen, wer die Herren des Landes sind!«, grollte daraufhin Cecil McGraw. »In die Luft sprengen sollte man die Martello-Türme!«
»Dein brennender Ehrgeiz, die Briten aus dem Land zu vertreiben, in Ehren, Cecil«, entgegnete Patrick O’Brien spöttisch. »Aber vielleicht sollte man doch einige Nummern kleiner anfangen und erst einmal die Nelsonsäule, dieses Schandmal unserer Stadt, in die Luft jagen!«
»Ein wahres Wort, Patrick!«, pflichtete Lovett Delaney ihm grimmig und mit zornig funkelnden Augen bei. »Darüber sollte man sich wirklich Gedanken machen. Es ist schon schlimm genug, dass wir seit Jahrhunderten mit Straßennamen leben
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