Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
nicht in großzügiger Hilfsbereitschaft zahllose Schiffsladungen dringend benötigter Lebensmittel nach Irland geschickt. Aber entschuldige, dass ich die ganze Zeit nur von mir rede, Éanna. Sag, wie sieht es mit dir und Brendan aus? Habt ihr schon Pläne für euer neues Leben in Amerika geschmiedet?«
»Nein, und da gibt es auch nichts mehr zu schmieden«, antwortete sie niedergeschlagen.
Patrick runzelte die Stirn. »Wie soll ich das verstehen? Das klingt ja so, als stünde es mit euch beiden nicht gerade zum Besten!«
»Dass es nicht gerade zum Besten steht, ist noch sehr untertrieben«, murmelte sie und sagte mehr zu sich selbst: »Es sind die Bücher gewesen. Ich hätte am Sonntag nicht noch einmal zu Euch kommen dürfen.«
Und ehe sie darüber nachgedacht hatte, ob es klug war, was sie tat, erzählte sie ihm, was nach ihrem Besuch vorgefallen war.
»Das habe ich nicht gewollt!«, rief er bestürzt, als sie geendet hatte. »Mein Gott, Éanna! Wie kann er nur glauben, du wärst eines … eines von diesen Mädchen, die sich für Geld verkaufen!«
Sie zuckte die Achseln und mied seinen Blick. »Er denkt es aber und will sich nicht einmal anhören, wie es wirklich gewesen ist. Was soll ich da noch tun?«
Er schwieg einen Moment. »Möchtest du, dass ich mit ihm rede? Es wird mir zwar nicht gerade leichtfallen, dem Mann gegenüberzustehen, den ich brennend um die Gefühle beneide, die du ihm entgegenbringst, aber diesen Canossagang bin ich dir wohl schuldig.«
Überrascht von seinem unerwarteten Angebot, hob sie den Kopf. »Patrick! Das würdet Ihr wirklich für mich tun?«
Er schnitt eine Grimasse. »Ja, und zwar so gerne, wie ich mir ein böses Geschwür aufschneiden lassen würde. Aber wenn es dir wichtig ist und du meinst, dass es dir helfen könnte, werde ich es tun. Und zwar sobald ich diese elende Seekrankheit überwunden habe!«, versprach er.
Éanna konnte nichts erwidern, so überwältigt war sie von seinem Angebot. Sie konnte sich vorstellen, was es für ihn bedeuten musste. Aber ihr würde es vielleicht die Chance geben, sich wieder mit Brendan zu versöhnen! Wenn Brendan erst die Wahrheit kannte, musste er doch wieder zu ihr kommen!
»Also gut, abgemacht! Ich rede mit ihm«, gab Patrick ihr sein Wort. »Glaube deshalb jedoch nicht, dass ich den Kuss bereue. Aber solange dein Herz an Brendan gebunden ist, gibt es für mich sowieso nichts zu erhoffen.«
Zum ersten Mal, seit Éanna unter der Seekrankheit litt, kehrte für einen Moment etwas Farbe in ihr Gesicht zurück. Sie zögerte. »Vielleicht ist es besser, Eure Hoffnung ein für alle Mal zu begraben«, sagte sie. »Das macht es leichter für Euch.«
Er lächelte. »Weshalb sollte ich, Éanna? Die Welt ist voller Wunder. Und die Hoffnung stirbt zuletzt.«
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Sein letzter Satz hallte in Éanna nach, als sie schon längst wieder an Emilys Lager saß. Auch wenn sie wusste, dass er nicht klug handelte, konnte sie Patrick doch nur zu gut verstehen. Auch sie weigerte sich, die Hoffnung auf eine Versöhnung mit Brendan aufzugeben. Aber bevor es überhaupt dazu kommen konnte, dass Patrick seinen Teil dazu beitrug, vergingen noch viele leidvolle Tage, in denen die Seekrankheit auf der Metoka wütete. Und in dieser Zeit galt ihre Sorge einzig und allein Emily. Denn mit jedem Tag wurde ihre Freundin schwächer. Sie reagierte auf nichts, gab ihr nicht einmal mehr Handzeichen und schien dem Tod näher als dem Leben zu sein.
Doch genauso plötzlich, wie die Seekrankheit über die Auswanderer gekommen war, ließ sie auch wieder von ihnen ab. Bei Éanna geschah es in der Nacht vom vierten auf den fünften Tag auf See. Als sie erwachte, war der Grund dafür diesmal nicht Übelkeit, sondern ihr knurrender Magen. Und von einem Tag auf den anderen machten ihr die Bewegungen der Metoka nicht mehr das Geringste aus. Sie hatte über Nacht Seebeine bekommen, wie es die Seeleute nannten. Und sie hatte einen unbändigen Hunger!
Nach und nach erholten sich auch Emily und all die anderen. Wer noch vor Stunden der festen Überzeugung gewesen war, nie wieder einen Bissen über die Lippen zu bekommen, und sich den Tod herbeigewünscht hatte, vergaß all das in kürzester Zeit.
Das Zwischendeck erwachte zu neuem Leben. Das Stimmengewirr schwoll von Stunde zu Stunde stärker an. Man hörte wieder Kinderreime, Scherze und Gelächter und manch einer fand auch die Lust am Streiten wieder, wenn ihm ein Nachbar in die Quere kam. Denn überall
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