Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
auf die Planken reichten. Er fiel den anderen auf, weil er sich stets mit einer übergroßen Pfanne am Herd anstellte, in der er stets nur eine Handvoll Essen, eben das, was er brauchte, zubereitete.
Das entlockte eines Tages einer älteren Frau den besorgten Ausruf: »Wenn sich der arme Bursche nicht bald eine kleinere Pfanne besorgt, ist er lange verhungert, bevor wir in Amerika sind!«
Die Leute um sie herum lachten sie wegen dieser unlogischen Bemerkung nicht aus, sondern nickten nur beifällig. Es war eine typisch irische Sinnverdrehung und alle verstanden, was sie meinte. Das war die Hauptsache.
Éanna wartete tagtäglich, dass es endlich zu dem Gespräch zwischen Brendan und Patrick kam. Sie begab sich – sooft es ging und die Mannschaft es erlaubte – an Deck, immer in der Hoffnung, Patrick und Brendan am Seil stehen und miteinander reden zu sehen. Aber entweder hatte Patrick es sich anders überlegt, was sie allerdings für unwahrscheinlich hielt, oder er hatte noch keine günstige Gelegenheit gefunden.
Doch eines Tages stieg sie mit Emily gerade noch rechtzeitig an Deck, um zu sehen, wie Patrick das Seil anhob, um auf ihren Teil des Hauptdecks zu kommen. Brendan stand nur wenige Schritte von ihm entfernt an der Reling und redete mit jemandem, den Éanna nicht kannte. Von Caitlin war nichts zu sehen und dafür dankte sie dem Himmel.
»Emily, da sind Patrick und Brendan!«, raunte sie ihrer Freundin aufgeregt zu. »Gleich wird er mit ihm reden und alles aufklären!«
»Gebe Gott, dass es auch wirklich so kommt«, sagte Emily zurückhaltend. »Brendan wird nicht eben gut auf ihn zu sprechen sein, vergiss das nicht! Und ein Hitzkopf wie er lässt sich von einem Mann wie Mister O’Brien sicherlich nicht gern darüber belehren, dass er dir unrecht getan hat!«
Genauso kam es dann auch. Denn kaum war Patrick zu ihm getreten und hatte einige Worte mit ihm gewechselt, als Brendan ihn auch schon mit beiden Händen zurückstieß. Und selbst auf die Entfernung konnten Éanna und Emily hören, wie er ihm wütend zurief: »Verschwindet bloß wieder auf Eure Seite, wo Ihr hingehört! Ich will mit Euch nichts zu schaffen haben. Lügt doch einem anderen das Ohr voll mit Eurem hochnäsigen Gefasel!« Und dann stürmte er wutentbrannt davon.
Éanna wollte schon zu ihm hinüberlaufen. Doch Emily wusste das zu verhindern, indem sie ihre Freundin kurzerhand festhielt. »Tu es bloß nicht!«, riet sie ihr eindringlich. »Wenn er schon vorher nicht mit dir reden wollte, glaubst du, er ist vielleicht jetzt in der richtigen Stimmung dazu?«
Éanna biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten. Es enttäuschte sie bitter, dass Patrick Brendan nicht einmal dazu hatte bewegen können, ihm auch nur eine Minute lang zuzuhören. Und sie fragte sich verzweifelt, was denn jetzt bloß noch passieren sollte, damit Brendan endlich einlenkte und sich anhörte, wie es wirklich gewesen war?
»Du musst einfach Geduld haben«, versuchte Emily sie zu trösten. »Manche Dinge brauchen ihre Zeit, um zu reifen. Und Brendan hat nun mal einen riesigen Dickkopf! Das weißt du doch.«
Éanna sagte nichts und ließ nur den Kopf hängen.
Emily versuchte sie abzulenken, indem sie betont munter fragte: »Sag mal, hast du auch schon von der Lotterie gehört, an der wir uns beteiligen können?«
Gleichgültig zuckte Éanna die Achseln. Dass unter ihren Mitreisenden eine wahre Wettleidenschaft ausgebrochen war, hatte auch sie mitbekommen. Die Leute wetteten auf alles Mögliche. So gab es täglich eine Wette, wie viele Seemeilen die Metoka wohl am Abend zurückgelegt haben würde. Denn nach der Messung mit dem Log wurde das Ergebnis jeden Abend an Bord bekannt gegeben. Andere wetteten darauf, wann wohl der Steuermann in die Speichen des Ruders griff, um das Schiff von Steuerbordbug auf Backbordbug zu legen; wann Slocum mal wieder einen von der Kochstelle zurückwies; wie oft die Fiedler an diesem Tag diese oder jene Melodie wiederholten; welcher Seemann die Rationen austeilte; wann die unzertrennlichen Jungfern die Toilette am Bugsprit aufsuchten; wie viele Versuche irgendein Pfeifenraucher brauchte, um bei dem Wind seinen Tabak in Brand zu setzen und so weiter. Die Zahl der Wetten, bei denen es um die skurrilsten Dinge ging, ließen sich kaum noch zählen. Alles und jedes war für eine Wette gut und bezahlt wurden die Wettverluste ebenso mit allem Möglichen: mit einem hart gekochten Ei, einem halben gepökelten Codfisch, einem Löffel
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