Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Wehwehchen zu kümmern! Und die Luke bleibt geschlossen! Ihr steht hier nur im Weg! Erst wenn Captain Crimshaw es anordnet, wird die Luke geöffnet. Und wie es aussieht, kann das noch eine Weile dauern!«
»Der Teufel soll dein kaltes Herz holen – und Euren Captain und versoffenen Quacksalber dazu!«, brüllte ein Mann, dessen Frau sich das Bein im Sturm gebrochen hatte, in ohnmächtiger Wut nach oben.
Big Black legte ihm seine Pranke auf die Schulter. »Lass es, Rory. Es bringt nichts. Die Seelen der drei sind dem Teufel schon längst sicher!«
Was der Erste Offizier »eine Weile« genannt hatte, erwies sich für die Menschen im Zwischendeck als ein Martyrium, das noch zwei volle Tage und Nächte dauern sollte.
Dass es zum Trinken in der Zeit nur das von Hanf und Teer verdreckte Wasser gab, war noch nicht einmal das Schlimmste. Was unerträglich wurde, war der unbeschreibliche Gestank, der sich in ihrem Quartier ausbreitete. Und er war nichts im Vergleich zu den üblen Gerüchen, die in den ersten Reisetagen hier unten geherrscht hatten.
Der tägliche Gang auf die beiden Wasserklosetts vorn am Bugsprit hatte bislang jeden Überwindung gekostet. Ganz besonders den schamvollen Mädchen und Frauen, die auf ihren tugendhaften Ruf bedacht waren. Denn auf dem Vorschiff hielten sich fast immer Seeleute auf, die Segel ausflickten, Taue teerten oder mit anderen Arbeiten beschäftigt waren. Diese ließen es sich nicht nehmen, insbesondere die Hübschen und Jungen unter ihnen in Augenschein zu nehmen und ihnen mit schlüpfrigen Bemerkungen und spöttischen Anträgen die Schamröte ins Gesicht zu treiben. Dazu kam, dass die Wände um die Toiletten nicht vor Blicken schützten, denn hier und da klafften breite Ritzen zwischen den Brettern und Balken.
Wie froh war Éanna gewesen, dass Emily den Nachttopf mit an Bord gebracht hatte. Die Freundinnen hatten ihn mit einem festen Strick an einen Stützbalken ihres Kojenkastens festgebunden, damit ihnen keiner das begehrte Utensil stahl.
Éanna hatte es bislang gerne übernommen, den Nachttopf zu leeren. Wie alle anderen »Nachttopffrauen«, wie die Matrosen sie spöttisch nannten, verrichtete sie diese Arbeit nachts. Im Schutze der Dunkelheit geriet sie nicht in die Verlegenheit, dabei beobachtet zu werden. Bevor die Luke verschlossen worden war, hatte sie dann oft noch eine Weile an der Reling verharrt und den funkelnden Sternenhimmel über der scheinbar grenzenlosen See bewundert. Es waren für sie kostbare Augenblicke gewesen, wenn die Metoka unter vollen Segeln ihren Kurs durch die sanft auf und ab wogenden Wellen schnitt und ein scheinbar tiefer Frieden über dem Schiff lag. Und wenn der Mond sein silbriges Licht auf das tiefschwarze Wasser warf und es überall glitzerte, war es ihr, als glitten sie durch ein Meer aus wogendem Quecksilber.
»Seht nur, der Herr bestreut unseren Weg nach Amerika mit Diamanten!«, hatte einmal eine der Nachttopffrauen zu ihr gesagt, als sie gemeinsam auf die See hinausschauten.
Éanna waren in diesem Moment unwillkürlich die Tränen in die Augen getreten, waren doch alle Hoffnungen und Ängste auf sie eingestürmt, die sie im alltäglichen Überlebenskampf verdrängt hatte.
Doch mit diesen kostbaren Momenten nachts auf Deck war es nun vorbei, denn ihnen war nicht nur der Gang auf die Toiletten, sondern auch das Ausleeren ihrer Nachttöpfe verwehrt.
Die Kinder und Kranken waren wieder die Ersten, die sich erst gar nicht lange damit herumplagten. Sie erleichterten sich, wenn sie den Drang dazu verspürten. Und es machte bald keinen großen Unterschied mehr, wo sie es taten.
Für die Mehrzahl der Erwachsenen, die sich noch einen Rest Scham und Würde bewahrt hatten, gab es einen einzigen Ausweg: das Orlopdeck direkt unter dem Zwischendeck.
Dort erleichterte man sich einfach irgendwo zwischen der Fracht. Viele Frauen und Mädchen trauten sich wegen der Ratten immer nur zu zweit hinunter. Und sie machten laute Geräusche und traten fest auf, um die Ratten zu verscheuchen.
Um sich vor dem infernalischen Gestank zu schützen, der sich im Zwischendeck ausbreitete, verknoteten Éanna und Emily jeweils eine halbe Handvoll Tee in einem Stoffstreifen und banden ihn sich vor die Nase. Andere machten es ähnlich und versuchten es mit Melasse, Tabak und Kräutern, sofern sie noch etwas davon übrig hatten. Aber auch das half bald nicht mehr.
Die verbrauchte Luft sättigte sich mehr und mehr mit dem Gestank. Ganze Scharen von Würmern krochen aus
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