Earth Girl. Die Begegnung
war, in den Heimen von Hospital Earth aufzuwachsen.»
«Du hast mir nie von deinem Leben im Heim erzählt.»
«Deine Kindheit war so anders als meine, dass ich nicht wusste, wo ich überhaupt anfangen soll mit dem Erklären. Worauf es wirklich ankommt, ist, dass ich es nicht gewöhnt bin, über meine Gefühle zu reden. Meinem neugierigen Therapeuten wollte ich nichts erzählen, Candace hatte immer noch eine Menge anderer Kinder, um die sie sich neben mir kümmern musste, und Issette hatte selbst zu viele Probleme, als dass ich sie auch noch mit meinen belästigen konnte. Wenn etwas weh getan hat, dann habe ich vor mir selbst versucht so zu tun, als wäre alles in Ordnung, und so wenig wie möglich darüber nachgedacht. Ich weiß, das ist nicht …»
Mühsam suchte ich nach Worten. «Ich kann mich nicht über Nacht umkrempeln, aber ich werde daran arbeiten. Ich darf dich nicht ausschließen, also werde ich versuchen, mehr zu reden, und ich werde auch was wegen der Ringe unternehmen.»
Er schüttelte den Kopf. «Jetzt, wo ich weiß, dass uns beiden unsere Beziehung wichtig ist, komme ich ohne Ringe klar. Vermutlich sind wir in ein paar Tagen sowieso wieder Zivilisten und zurück auf der Grabungsstätte.»
«Zivilisten werden wir nie wieder sein», korrigierte ich ihn automatisch, «aber ansonsten hast du recht.»
«Wie meinst du das?» Fian starrte mich an.
Als ich seine verdutzte Miene sah, begriff ich, dass er es wirklich nicht kapierte. Wir hatten sämtliche Hintergrundinformationen, das Basistraining für Sektorrekruten und den Eingangstest verpasst, weil wir direkt den Eid abgelegt hatten, aber irgendwie hatte ich trotzdem angenommen, Fian wäre klar, dass … Es war wohl an mir, ihn aufzuklären:
«Wir werden nie wieder Zivilisten sein. Wir haben den Eid geschworen, und dieses Versprechen gilt ein Leben lang. Das Militär hat uns in seine Familie aufgenommen und ist damit auch uns auf Lebenszeit verpflichtet. Sobald du ins Militär eingetreten bist, kannst du nicht einfach gehen und wieder Zivilist sein. Das wurde schon vor Jahrhunderten beschlossen. Nicht nur weil Menschen, die jahrzehntelang beim Militär gedient haben, die Umstellung schwerfallen würde. Verzögerte traumatische Belastungsstörungen nach einem Vorfall wie auf Thetis können auch erst Jahre später auftreten, und dann brauchen die Leute Unterstützung.»
«Aber! A-aber!» Vor lauter Panik kam Fian buchstäblich ins Stottern. «Was soll ich denn beim Militär? Die wollen doch, dass ihre Leute neue Planeten erforschen und die Solaranlagen betreiben. Dazu brauchen sie keine Archäologen, und du kannst noch nicht mal die Erde verlassen!»
«Fian, beruhig dich. Das Militär sucht nach vernünftigen Lösungen. Wenn das hier vorbei ist, wird man uns nicht einfach zum Dienst abkommandieren. Ich vermute, dass man uns die Wahl lässt zwischen einer Militärlaufbahn – die ich natürlich nicht antreten könnte – und einer dauerhaften zivilen Freistellung.»
Ich grinste. «Freistellungen gelten meist für Spezialisten im Bereich von Medizin oder Solartechnik, die an den Universitäten in Forschungsgruppen arbeiten. Wir werden vermutlich die ersten Militärs sein, die zum Geschichtsstudium freigestellt werden.»
«Meine Eltern werden aus allen Wolken fallen, wenn sie erfahren, dass das schwarze Schaf der Familie Captain beim Militär ist. Es war ja schon schlimm genug, als ich ihnen eröffnet habe, dass ich Geschichte statt Naturwissenschaften studieren werde, aber das hier …» Er schüttelte den Kopf.
«Ich glaube, das mit den Aliens wird die größere Überraschung», erwiderte ich lachend.
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9
N achdem der Leiter des Arche-Teams sich gesetzt hatte, nickte Colonel Torrek mir zu. Ich erhob mich und hielt vor einem Sitzungssaal voller Offiziere und ziviler Experten eine sorgfältig vorbereitete Rede.
«Das Geschichtsteam hat keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass in den vergangenen neunhundert Jahren irgendetwas Vergleichbares wie diese Kugel schon einmal die Erde besucht hat. Die Durchsicht schriftlicher Dokumente wird durch Übersetzungsprobleme erschwert, da die Standardsprache in manchen Regionen der Erde ja erst 2280 offiziell eingeführt wurde. Während des Zeitraums, den wir aktuell bearbeiten, gab es noch Tausende von Sprachen, die sich alle ständig weiterentwickelt haben. Niemand beherrscht heutzutage mehr als eine Handvoll davon, und für die ungewöhnlicheren stehen uns noch nicht einmal
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