Earth Girl. Die Prüfung
für den Quartierskuppelbau von Cassandra 2 ein, und wir gingen durch das Portal. Ein großer Mann um die dreißig erwartete uns. Er hatte ein nettes Lächeln und ein Gesicht wie eine edle Ebenholzskulptur, doch an seiner linken Schläfe befand sich ein seltsames Stück entstellter Haut. Nach einem kurzen Moment begriff ich, dass es sich um Narbengewebe handelte, aber ich verstand nicht, weshalb jemand mit Narben herumlief, wenn eine einfache Flüssigpflasterbehandlung Abhilfe schaffen würde.
«Willkommen», begrüßte er uns. «Seid ihr nur zu zweit?»
«Die anderen machen sich direkt auf den Weg nach Asgard. Sie sind ein bisschen nervös wegen des Portalausfalls», erklärte ich. «Ich bin Jarra, und das ist Fian.»
Er nickte. «Portalausfälle können einen durchaus schrecken, bis man sich daran gewöhnt hat. Willkommen, ihr zwei. Ich bin Rono Kipkibor, erster Teamleiter, aber die Leute nennen mich einfach Rono. Alle anderen sind im Speisesaal.»
Er ging voraus und stellte uns allen vor. Ich war noch nie sonderlich gut darin gewesen, mir Namen zu merken, deshalb vergaß ich die meisten von ihnen sofort wieder. Die Gruppe teilte sich in zwei Ausgrabungsteams auf. Eine Frau namens Jerez fungierte als Teamleiterin von Team 2 oder als zusätzliche Schwerlastlifterin, je nachdem was gebraucht wurde. Ihr Team- 1 -Tagger war ein Mann namens Keren.
«Uns fehlen ja immer noch zwei Leute», erzählte Rono. «Unser Team- 2 -Tagger, Stephan, erholt sich bestens im Hospital Earth America. Seine Frau, unser Team- 2 -Support, ist bei ihm. Beide lassen ihren herzlichsten Dank ausrichten. Wir dachten wirklich, wir hätten Stephan da draußen verloren.»
«Wir haben gerne geholfen», sagte ich.
Fian murmelte schüchtern etwas vor sich hin.
«Es ist natürlich schon ein bisschen peinlich.» Rono grinste. «Leute mit unserer Erfahrung werden von einem Team gerettet, das gerade mal seit zwei Tagen auf einem Ausgrabungsgelände arbeitet. Normalerweise lassen wir unsere beiden Teams unabhängig voneinander in der Nähe arbeiten, sodass das eine Team das andere ausgraben kann, falls es in Schwierigkeiten gerät, aber wenn gleich ein ganzes Hochhaus einstürzt und uns alle unter sich begräbt …»
Er brach ab und zog eine Grimasse. «Ihr habt jedenfalls bei der Rettung hervorragende Arbeit geleistet. Also, es gibt da diese Tradition, dass ein gerettetes Team dem Tagger des Rettungsteams ein Geschenk macht, weil diese Person ja das Risiko eingegangen ist, die Verunglückten zu bergen. Wir haben uns bei Playdon nach der richtigen Größe erkundigt, aber sag einfach Bescheid, falls er nicht richtig passt, dann können wir ihn umtauschen.»
Er sah sich um, woraufhin ein paar andere eine große Schachtel zu uns herüberbrachten.
«Das wäre aber nicht nötig gewesen …», setzte ich an.
«Wir müssen die Tradition wahren.» Er lächelte. «Mach es ruhig auf.»
Ich nahm die Schachtel entgegen und fragte mich, was da wohl drin sein könnte. Als ich sie öffnete und den Inhalt sah, fiel mir die Kinnlade herunter. Ehrfürchtig nahm ich ihn heraus: meinen eigenen funkelnagelneuen Schutzanzug. Nicht einer in der Standardausführung, nein, ein richtiger, wie ihn sich die Profis kaufen.
«Das ist …» Ich drückte den Anzug an mich. Ich war völlig überwältigt. «Das ist total irre. Darin wird es jetzt nur noch nach mir selbst riechen!»
Alle lachten, einschließlich Fian.
«Man bekommt spezielle Sprays, um die Farbe anzupassen», erklärte Rono. «Dann kann man die Leute leichter erkennen.»
Keren grinste. «Rono zum Beispiel sieht man schon aus einem ganzen Sektor Entfernung. Niemand sonst würde freiwillig Lila und Silber tragen.»
Rono tat, als würde er seinem Teamkollegen in die Rippen boxen, und schüttelte traurig den Kopf. «Achtet nicht auf Keren, er hat einfach keinen Geschmack.»
«Der Anzug ist klasse», wiederholte ich. «Vielen, vielen Dank. Aber ich glaube, wir müssen jetzt leider los, damit wir den Rest unserer Klasse einholen. Die sind inzwischen sicher auf Asgard und …»
«Natürlich.»
Die gesamte Gruppe begleitete uns zurück zum Portalraum. Als wir den Raum betraten, blinkten die Portallichter auf einmal alle grün auf, dann in schneller Abfolge orange und rot, während das Portal in weniger als fünf Sekunden den Abschaltmechanismus durchlief. Dann erloschen auch die roten Lichter, und das Portal gab kein Lebenszeichen mehr von sich.
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F assungslos starrten wir
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