Earth Girl. Die Prüfung
endgültig.
Issette war völlig fertig und brauchte Jahre, um darüber hinwegzukommen. Ihre ProEltern organisierten ein Jahr lang zusätzliche Therapiestunden für sie, die Issette als äußerst hilfreich empfand, während ich glaube, dass sie das Ganze nur noch schlimmer gemacht haben. Issette ist total anders als ich. Sie teilt gerne alles mit den Menschen. Ich hingegen werde richtig wütend, wenn ein Therapeut versucht, in meinem Kopf herumzustochern und mir zu sagen, welche meiner Gefühle akzeptabel sind und welche durchfallen und somit verbessert werden müssen.
Sieben meiner Freunde nutzten mit vierzehn ihre Option auf Elternauskunft. Sie erlebten eine Menge Schmerz, und nur Ross hatte letzten Endes etwas davon. Sein echter Vater ruft ihn alle paar Wochen an und kommt sogar ein- oder zweimal im Jahr zu Besuch. Ich habe ihn selbst kennengelernt, als er in unser Next Step kam. Für einen Exo war er echt nicht übel. Er rümpfte nicht die Nase, als würde ich stinken.
Also wusste ich aus den Erfahrungen meiner Freunde, wie gering die Wahrscheinlichkeit war, dass ich zu einem meiner echten Elternteile eine Beziehung haben würde. Mein Anruf bei der Registratur würde in eine Katastrophe münden, aber schlussendlich war es doch dasselbe wie mein Versuch, die Erde zu verlassen. Er würde scheitern, es würde wehtun, aber hinterher konnte ich stolz sein, es wenigstens probiert zu haben. Und wenn ich mich der Sache mit meinen Eltern stellen konnte, dann sollte die Konfrontation mit meinen Mitstudenten ein Leichtes sein.
An diesem Punkt traf ich eine weitere Entscheidung. Ich würde die Lügen so lange aufrechterhalten, bis ich den elterlichen Albtraum durchgestanden hatte. Dann aber wollte ich nicht warten, bis die Klasse einen Fehler in meiner Tarnung entdeckte. Ich würde das tun, was die Betas getan hatten. Ich würde nach vorne marschieren und allen die Wahrheit sagen.
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16
I ch wusste, es würde hart werden, die nächsten drei Tage durchzustehen. Ich bin gut darin, Dinge in die Hand zu nehmen, nicht herumzusitzen und darauf zu warten, dass sie von selbst passieren. Außerdem gab es noch eine zusätzliche Komplikation. Beim Frühstück am nächsten Morgen nahm Playdon Fian und mich zu einer Unterredung beiseite.
«Ich werde Ihre beiden Rollen vertauschen», erklärte er mit seinem teuflischsten Grinsen. «Fian, Sie werden Tagger, und Jarra wird Ihr Support sein.»
Ich spürte, wie instinktiv die Wut in mir aufstieg, aber ich riss mich zusammen. Dieser Fehler war mir schon mal unterlaufen, und ich würde ihn nicht wiederholen. Playdon wusste, was er tat, und ich sollte ihm vertrauen. Fian war derjenige, der widersprach.
«Ich will aber nicht Tagger sein.»
Playdon lachte. «Es ist ja nur für ein paar Tage.»
Fians Miene wurde trotzig. «Wozu dann das Ganze? Ich will lieber in meiner eigenen Rolle besser werden.»
«Weil das hier beiden von Ihnen helfen wird, Ihre eigene Rolle besser zu erfüllen.» Playdon wandte sich an mich. «Jarra, für eine Taggerin im Grundstudium sind Sie hervorragend, aber Sie können noch besser werden. Es ist meine Aufgabe, Sie dabei zu unterstützen. Es ist ganz offensichtlich, dass Sie als Lifter gearbeitet haben, aber noch nie als Support.»
«Wirklich?»
Er nickte. «Ich habe mit Erde 19 über Ihre Arbeit während der Bergung von Cassandra 2 gesprochen, und sie haben genau das gesagt, was ich denke. Für die Lifter sind Sie ein Traum, denn Sie setzen Ihre Marker nicht nur irgendwo an eine stabile Stelle, sondern Sie wählen auch noch eine, die sich für die Traktorstrahlen gut eignet.»
Ich errötete vor Freude, doch natürlich ließ er dem Kompliment Kritik folgen.
«Sie sind ein Traum für die Lifter, aber ein Albtraum für Ihren Support. Ein paar Tage Rollentausch mit Fian werden das beheben. Sie werden lernen, was tote Winkel und ungünstige Strahlenwinkel bedeuten, die es für Ihren Support schwierig machen, Sie bei Gefahr rauszuziehen. Sie werden lernen, sich möglichst nicht in solche Positionen zu begeben, und das wird die ein oder zwei Sekunden Unterschied ausmachen, die Ihnen eines Tages vielleicht das Leben retten.»
Mir gefiel die Vorstellung zwar überhaupt nicht, aber ich vertraute ihm. «Ja, Sir.»
«Fian, dies ist Ihre Chance, die Dinge mal durch die Augen des Taggers zu sehen. Was derjenige tun muss, wie er es tun muss, die Entscheidungen, die er fällen muss. Es wird Ihnen dabei helfen, Jarras Bewegungen auf einer
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