EB1021____Creepers - David Morell
stürmten über Asbury
Park hinweg und hinterließen zertrümmerte Fenster, umge‐
worfene Autos, geplünderte Geschäfte und Brände, die sich
ausbreiteten, bis der halbe Ort in Schutt und Asche lag. Da‐
nach flohen die einheimischen Familien vor der Verwüstung,
während die Urlauber sich modernere Orte an der Küste such‐
ten. An ihrer Stelle kam die Gegenkultur – Hippies, Musiker,
Motorradfahrer. Der noch unbekannte Bruce Springsteen
spielte oft in den Clubs des Ortes und sang von der Hoffnung‐
slosigkeit der Promenade und der Sehnsucht danach, neue
Wege einzuschlagen. In den achtziger und neunziger Jahren
scheiterten alle Pläne, den Ort zu retten, an politischer und
finanzieller Korruption. Weitere Einwohner flüchteten, und
immer mehr Häuserblocks standen leer. Das Palace‐
Amusements‐Gebäude aus dem Jahr 1888, das fast zu einem
Synonym für den Ort geworden war, fiel im Jahr 2004 der Ab‐
rissbirne zum Opfer. Die verrottende Promenade war verlas‐
sen, ebenso wie der berühmte »Circuit«, dem die Biker und
Hotrodder in ihren frisierten Autos früher einmal gefolgt war‐
en, zuweilen mit sechzig Meilen die Stunde. Sie pflegten auf
der Ocean Avenue nach Norden zu rollen, dann abzubiegen
und einen Häuserblock weit nach Westen zu ziehen, auf der
Kingsley Avenue nach Süden zu donnern, dann einen Block
weit ostwärts, woraufhin sie den Kreisverkehr in nördlicher
Richtung auf der Ocean Avenue von vorn begannen. Jetzt
nicht mehr. Vorbei. Ein Besucher hätte den ganzen Tag lang
mitten auf der Ocean Avenue stehen können, ohne Gefahr zu
laufen, dass er angefahren wurde.
Die Trümmer und Ruinen erinnerten an eine Nachkriegs‐
landschaft. Siebzehntausend Menschen bezeichneten sich als
Einwohner von Asbury Park, aber an dem verwüsteten
Strand, an dem sich hundert Jahre zuvor Scharen von Urlau‐
bern vergnügt hatten, bekam man kaum jemals einen von ih‐
nen zu sehen. Statt der Karussellmusik und des Kindergeläch‐
ters hörte man nur noch eine losgerissene Metallplatte im
Wind scheppern wie die Totenglocke des unvollendeten zehn‐
stöckigen Wohnblocks, an dem sie hing. Dem Unternehmen
war das Geld ausgegangen, ein weiteres Zeugnis der hoff‐
nungslosen Erneuerungsbemühungen der Stadt. Wie die hi‐
storischen Gebäude in der Nachbarschaft – die wenigen von
ihnen, die noch standen – war es aufgegeben worden.
Deng.
Deng.
Deng.
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Balenger sah zu, wie der Professor einen Stadtplan entfaltete
und mit dem Finger auf eine Stelle zwei Blocks weiter nördlich
tippte.
»Das Paragon Hotel?«, fragte Cora, die mitlas. »Errichtet im
Jahr 1901«, sagte Conklin. »Wie der Name schon nahe legt,
erhob das Paragon den Anspruch, in der Qualität nicht zu
übertreffen zu sein. Es bot jede erdenkliche Bequemlichkeit.
Den gewissenhaftesten Service. Marmorböden im Foyer.
Erstklassiges Porzellangeschirr. Vergoldetes Besteck. Ein Tele‐
fon in jedem Zimmer – zu einer Zeit, als es normalerweise nur
im Foyer ein Telefon gab. Ein geheiztes Schwimmbad im
Haus, was damals eine Seltenheit war. Eine Sauna, auch das
war nicht üblich, und den Vorläufer eines Whirlpools. Einen
Ballsaal. Eine Bildergalerie. Eine überdachte Rollschuhbahn.
Eine primitive Klimaanlage, in der Druckluft über Eis geblasen
wurde. Und eine vollständige Heizungsanlage, was sehr un‐
gewöhnlich war, sogar in den teuersten Strandhotels – schließ‐
lich waren die Leute Sommergäste, die hierher kamen, um der
Hitze zu entgehen. Vier erst kurz zuvor erfundene elektrische
Aufzüge, die mit Knöpfen bedient wurden. Der Zimmerservi‐
ce stand vierundzwanzig Stunden am Tag zur Verfügung. Die
Aufzüge und ein System von elektrischen Speiseaufzügen ga‐
rantierten, dass das Essen schnell kam.«
»Fehlen nur noch ein paar Cocktailkellnerinnen, und man
hätte Las Vegas«, bemerkte Vincent grinsend. Balenger ver‐
suchte, sich dem Rest der Gruppe anzupassen, indem er einen
amüsierten Gesichtsausdruck aufsetzte.
»Das Paragon wurde von seinem Besitzer Morgan Carlisle
entworfen, der das Familienvermögen geerbt hatte, nachdem
seine reichen Eltern bei einem Brand auf See ums Leben ka‐
men.« Die Erklärung ließ Vinnies Grinsen verschwinden.
»Carlisle war erst zweiundzwanzig, exzentrisch, verschlossen,
mit einer Neigung zu Wutausbrüchen und Anfällen von tiefer
Depression, aber er war brillant bei allem, an dem er sich ver‐
suchte. Er war ein Genie und stand
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