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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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Theorie zu der Sache mit Frank , wie sie es gern nannte. »Das tut dir einfach nicht gut.«
    »Ich hab's ihm doch schon gesagt. Oder vielmehr geschrieben. Ich rede ja nicht mehr mit ihm.«
    »Aber vielleicht ist das genau das Problem«, warf Henny ein. »Ihr müsst euch endlich mal richtig aussprechen, damit dieses ganze Theater ein Ende hat.«
    Mia schüttelte entsetzt den Kopf. Sie wollte Frank nicht mehr sehen. Sie wollte nicht mehr mit ihm sprechen. Sie wollte ihn einfach vergessen. Das Dumme daran war nur, dass es nicht klappte. Je mehr sie Frank ignorierte, desto häufiger schlich er sich plötzlich in ihr Bewusstsein ein. Da lief ein Song im Radio, der sie total aus der Bahn warf. Oder ein Film im Fernsehen. Sie träumte nachts von Frank und wachte völlig verstört auf. Sie stöberte in alten Fotos und fand plötzlich ein Bild, auf dem Frank sie so liebevoll anblickte, dass es ihr die Luft nahm. Sie bekam Mails von ihm und Päckchen, und sie hörte seine Stimme auf ihrem Anrufbeantworter.
    Aber das alles würde bald ein Ende haben. In wenigen Wochen war der Scheidungstermin. Dann würde auch Frank sich hoffentlich wieder beruhigen und erkennen, dass ihre Liebe endgültig gestorben war.
    Nach dem Essen zogen sie noch durch diverse Kneipen, und Mia betrank sich dabei so fürchterlich, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, als Henny sie in ein Taxi hievte.
    »Is sie nich gud?«, fragte der Taxifahrer misstrauisch, der glänzendes schwarzes Haar und kaffeebraune Haut hatte. Er sah aus wie einer der Kellner aus dem indischen Restaurant, in dem sie den Abend verbracht hatten. »Wenn sie schlech wird, nehm ich sie nich mid.«
    »Ihr wird nicht schlecht, auf gar keinen Fall«, behauptete Henny energisch. »Sie ist einfach nur müde.«
    Sie waren keine fünf Minuten gefahren, als Mia stöhnte. »Mir wird schlecht, ich muss raus.«
    »Ich abe gesad, keine schlech, sons nich mid!« Der Taxifahrer warf ihr einen bösen Blick zu, dann bremste er scharf an einer Bushaltestelle an der Königstraße. Mia sprang aus dem Wagen und beugte sich über den Rinnstein. Laut würgend gab sie ihr Abendessen in einem Schwall unverdauter Alkoholika wieder.
    »Sahle bidde«, sagte der Taxifahrer zu Henny.
    Sie starrte ihn entgeistert an. »Wie bitte?«
    »Sahle bidde«, wiederholte der indische Kellner energisch.
    »Ich soll zahlen?« Endlich begriff sie, was er von ihr wollte. »Aber wir sind überhaupt noch nicht da. Ich muss noch ganz bis nach Barmbek und meine Freundin immerhin nach St. Pauli.«
    »Ich sage, wenn schlech, ich nehm nich mid. Nächse Ma sie schlech in Auto. Große Sauerei, gans große Sauerei.«
    »Ihr wird nicht mehr schlecht, garantiert nicht. Sie hat doch schon alles ausgekotzt.«
    »Kann nie wissen. Sahle bidde. Mach fünfeuroviesich.«
    »Ich fasse es nicht!« Wütend suchte Henny nach Ihrem Portemonnaie und zählte das Geld bis auf den letzten Cent genau ab.
    »Was ist denn?« Mia kam zurückgekrochen, blass und zitternd.
    »Der Kerl schmeißt uns raus«, Henny stieg aus dem Taxi. »Er hat Angst, dass du ihm die Sitze vollkotzt.«
    »Tut mir leid.« Bestürzt hielt Mia sich am Pfahl des Haltestellenschilds fest. »Ich … ich … oh nein …« Erneut würgte sie und übergab sich in einen Mülleimer neben dem Bushäuschen.
    »Siehsu«, rief der Inder triumphierend. »Nich gud, noch viel schlech. Viel su viel trinke, nich gud für Frau. Kriegsu nie Mann, wenn immer viel trinke un viel schlech.«
    »Ja, genau. Viel Saufen gibt schlechtes Karma.« Henny donnerte die Wagentür hinter sich zu. »Und wer harmlose Fahrgäste mitten in der Nacht aus dem Taxi wirft, kriegt ein noch viel schlechteres Karma.«
    Erschrocken starrte Mia dem Taxi nach. »Wie kommen wir denn jetzt nach Hause?«, fragte sie verzweifelt.
    »Zu Fuß. Es sei denn, wir finden unterwegs ein Taxi, das bereit ist, dich auch mitzunehmen.«
    Langsam setzten sie sich in Bewegung und marschierten durch die warme Sommernacht die Königstraße hinab Richtung Reeperbahn. Mia war schlagartig wieder nüchtern. Unterwegs zog sie eine vernichtende Bilanz.
    Sie war vierzig. Das hieß, ihr Leben war vorbei.
    Kein Arbeitgeber würde ihr einen Job geben, wenn ihr Jahr bei Norbert Roth erst mal rum war.
    Kein Mann würde sie jemals wieder begehren. Erst würden ihre Brüste anfangen zu hängen, dann ihre Pobacken und schließlich ihre Mundwinkel. Da half auch keine Aus-alt-mach-neu-Schlammpackung mehr. Die Richtung war klar vorgegeben: Es ging nur noch

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