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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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an Annikas Gemüseintopf erinnerten, und ihre ungewaschenen Haare fielen ihr strähnig ins Gesicht. So konnte sie unmöglich Arthur gegenübertreten, der immer so aussah, als sei er soeben einem Modekatalog entstiegen.
    »Hallo? Bist du noch da? Oder hast du dich doch schon umgebracht?«, kam es krächzend durch die Gegensprechanlage.
    »Ja … ich …«
    Blumen zu schicken war eins, aber einfach unangemeldet hier vor ihrer Tür aufzutauchen, das war eine ganz andere Nummer. Zwischen Verwirrung und Schreck meldete sich nun auch leiser Ärger bei Mia. Sie war geneigt, Arthur einfach wegzuschicken.
    Als hätte er ihre Gedanken erraten, krächzte es in der Gegensprechanlage wieder: »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Dann gehe ich wohl besser wieder.«
    Mia sah sich hektisch in der unaufgeräumten Wohnung um. Im Schlafzimmer lag ein BH auf dem Boden und das Bett war ungemacht, in der Küche türmte sich der Abwasch von drei Tagen.
    »Moment.« Mia drückte auf den Summer und humpelte, so schnell es ging, durch den Flur und schloss die Türen zu Küche und Schlafzimmer. Zum Glück brauchte Arthur ewig für die drei Stockwerke, so dass sie sogar noch Zeit hatte, im Wohnzimmer ein paar Zeitschriften zusammenzuschieben und Schokoladenpapier verschwinden zu lassen.
    Dann stand Arthur in der Tür. Er brachte kalte, frische Winterluft mit herein und füllte den ganzen Flur aus. Mia strich sich verlegen ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
    »Ich … mit dir hatte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet.« Sie stützte sich am Türrahmen ab und hoffte, dass Arthur ihre verheulten Augen nicht bemerken würde. Was, um Himmels Willen, tat er hier?
    Arthur spürte ihre Verlegenheit. »Ist es dir auch wirklich recht? Sonst gehe ich sofort wieder.« Er blieb zögernd stehen. »Ich dachte nur, bevor du einen Mord begehst, schaue ich lieber mal vorbei.«
    Hilflos wandte Mia sich dem Wohnzimmer zu. Arthur hatte ihr Blumen geschenkt. Es wäre wohl ziemlich unverschämt, ihn gleich wieder hinauszuwerfen.
    »Ist schon okay. Ich muss mich nur mal setzen, wenn du nichts dagegen hast.«
    Sie hievte sich von der Tür bis zum Sofa, trat dabei zu fest auf und verzog das Gesicht, als ihr ein stechender Schmerz in den Knöchel fuhr.
    Arthur folgte ihr. Sein Blick fiel auf die Gehhilfen. »Warum benutzt du die nicht?«, fragte er.
    »Ich komme damit nicht klar«, gestand Mia und legte sich ein Eispack auf den Fuß.
    »Vielleicht haben sie nicht die richtige Größe.« Arthur nahm eine der Krücken in die Hand und musterte sie. »Klapprige, alte Dinger«, murmelte er abfällig, dann bat er Mia, noch einmal aufzustehen. Er nahm prüfend mit den Gehhilfen Maß, behauptete, sie seien zu groß und verstellte sie in der Länge.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Mia misstrauisch. Es ging ihr auf die Nerven, dass Arthur zu wirklich jedem Mist etwas zu sagen hatte.
    Arthur reichte ihr die Krücken schweigend zurück. »Ich hatte mir mal ein Bein gebrochen und musste eine ganze Weile mit solchen Dingern auskommen«, sagte er, wobei sein Blick so abweisend war, dass Mia es vorzog, keine weiteren Fragen zu stellen. Schweigend lauschte sie Arthurs Tipps zum Umgang mit den Gehhilfen. Leider musste sie zugeben, dass er wieder einmal recht hatte. Auf einmal lief sie viel sicherer, die Gehhilfen waren plötzlich keine Hindernisse mehr, sondern echte Hilfen. Widerwillig bedankte sie sich.
    Arthur setzte sich in einen Sessel und schaute sich in Mias Wohnzimmer um.
    »Gemütlich hast du's hier«, sagte er, aber Mia glaubte ihm nicht. Wenn ihm sein kalter Designerpalast gefiel, konnte er sich unmöglich in ihrer Wohnung mit den vielen Büchern, den uralten Dielenböden und den zugigen Fenstern wohlfühlen.
    Verlegenes Schweigen schob sich zwischen sie. Arthur war in Mias Reich eingedrungen, noch dazu in einem Moment, in dem sie krank und schwach war. Sie saß nicht als attraktive Frau vor ihm, sondern als Patientin. Unauffällig verkroch sie sich unter einer Wolldecke, um ihre alte, fleckige Kleidung vor Arthurs kritischem Blick zu verbergen.
    »Wie geht es deinem Fuß?«, fragte Arthur.
    »Er tut weh.« Mia hatte nicht beabsichtigt, so gequält zu klingen, aber Arthur klang ehrlich mitfühlend und löste ihren Widerstand dadurch ein wenig auf. »Ich habe das Gefühl, es wird überhaupt nicht weniger, obwohl ich jetzt schon seit einer Woche hier liege. Der Arzt meinte, dass ich nach zwei Wochen wieder normal laufen könne. Aber das glaube ich

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