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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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eleganten Stiefeletten mit den glatten Sohlen wie auf rohen Eiern. Und dann, nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt, als sie sich schon in Sicherheit wähnte, rutschte sie mit dem schmalen Absatz des linken Stiefels weg, knickte um und stürzte seitlich auf den vereisten Weg.
    Im ersten Moment war der Schreck da, dann die Wut auf sich selbst. Warum hatte sie auch diese modischen Stiefelchen angezogen, statt derbe Schuhe mit guten Profilen? Bloß, weil sie Arthur imponieren wollte. Wie dämlich!
    Mühsam rappelte Mia sich wieder auf. Sie spürte einen undefinierbaren, dumpfen Schmerz, der von ihrem Gesäß durch das ganze linke Bein zog, sich aber nicht richtig schlimm anfühlte. Das Bein war von der Kälte halb betäubt. Wahrscheinlich würde sie morgen ein paar hübsche, blaue Flecken haben. Als sie mit dem Fuß auftrat, zog jedoch ein anderer, stechender Schmerz durch ihren Knöchel, schneidend und äußerst unangenehm. Sie konnte mit dem Fuß kaum auftreten und humpelte mühsam heimwärts, dankbar, dass es nicht mehr weit war.
    Zuhause begutachtete sie in Ruhe ihren geschundenen Körper. Aber sie fand nichts Auffälliges, nur ein paar gerötete Stellen, die auch genauso gut von der Kälte kommen konnten, und eine leichte Abschürfung am Oberschenkel.
    Doch in der Nacht konnte sie kaum schlafen, weil ihr Fuß bei jeder Bewegung pochte und schmerzte. Am nächsten Morgen war der Knöchel auf Tennisballgröße angeschwollen und hatte die Farbe einer Aubergine angenommen. Hilflos hockte Mia auf ihrem Bett und fing vor Verzweiflung und Schmerz an zu weinen. Sie musste dringend zum Arzt, das war klar – nur wie? Niemand war da, der ihr helfen konnte, alle Freunde waren längst bei der Arbeit, ihre Eltern im Urlaub auf Lanzarote, und von den Nachbarn war vermutlich nur Frau Schmidt aus dem zweiten Stock zuhause, aber die besaß kein Auto. Sie dachte an Frank, der immer für sie da gewesen war, wenn sie Hilfe brauchte. Immer. Auf einmal fühlte sie sich noch elender und musste erst recht weinen. Sie bat Frank trotzdem nicht um Hilfe. Sie war nicht mehr seine Frau. Und außerdem musste er genauso arbeiten wie Annika und Henny.
    Mia humpelte ins Badezimmer und machte sich notdürftig frisch. Dann rief sie sich ein Taxi und quälte sich unter großen Schmerzen mühsam die Treppen aus dem dritten Stock hinab auf die Straße.
    Sie saß drei Stunden im Wartezimmer eines Orthopäden und musste anschließend eine weitere Stunde warten, bis sie geröntgt werden konnte. Immerhin hatte sie Glück im Unglück. Es war nichts gebrochen oder gerissen, nur verstaucht.
    »Kühlen Sie das Bein und lagern Sie es hoch. Dann haben Sie das Schlimmste spätestens in zwei Wochen überstanden«, sagte der Arzt.
    Mit einem Druckverband um den Fuß und auf Krücken gestützt humpelte Mia wieder auf die Straße und ließ sich von einem Taxi heim bringen.
    Seufzend machte sie sich daran, die Treppen in ihre Wohnung hinauf zu bewältigen. Zwei Wochen auf ihrem Sofa liegen und sich Zukunftssorgen machen – das hatte ihr gerade noch gefehlt. Im Treppenhaus traf sie Frau Schmidt, die für ihre achtzig Jahre noch sehr rüstig war. Sie bot sofort an, für Mia einzukaufen. Dankbar quälte Mia sich die letzten Meter hinauf und verfluchte dabei jede einzelne Stufe.
    Den Rest des Tages verbrachte sie damit, per Telefon Verzweiflungsschreie in die Welt abzusenden. Ihre Eltern waren bestürzt, Annika und Henny bedauerten sie, und sogar Arthur fand mitfühlende Worte, als Mia ihm eine Nachricht schickte, um ihre nächste Verabredung abzusagen.
    »Wirst du gut versorgt?«, fragte er per SMS.
    »Ja,« schrieb Mia zurück. »Alles bestens.«
    Am Abend kam Henny und brachte einen großen Topf mit. »Ich habe dir einen Gemüseeintopf gekocht. Den kannst du dir bequem warm machen.«
    Mia warf einen Blick auf klein geschnittene Karotten und Kartoffeln und nickte dankbar.
    »Und Schokolade habe ich auch mitgebracht. Damit deine gute Laune wieder steigt.« Henny packte zwei Tafeln Chili-Zartbitter-Schokolade aus, Mias Lieblingssorte.
    Etwas später kam auch Annika vorbei. Sie wirkte gehetzt. »Ich habe nicht viel Zeit, Torben ist alleine, weil Matthias beim Sport ist«, sagte sie.
    »Hätte er den nicht mal absagen können?«, fragte Henny.
    »Ach, er war da schon ewig nicht mehr, ich kann ihm das auch nicht immer verwehren.« Annika packte einen großen Topf aus. »Ich habe dir einen Gemüseeintopf gekocht, den kannst du dir bequem warm machen.«
    »Na großartig, da

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