Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
Vom Netzwerk:
nicht.« Missmutig zog sie die Wolldecke noch ein Stückchen höher. Am liebsten hätte sie sich vollständig darunter versteckt. Außer ihrem Kopf schaute nur noch ihr kranker Fuß heraus, der, eingebettet in Eispackungen, ein Fremdkörper geworden war und, nackt und versehrt wie er war, nicht mehr zu ihrem restlichen Körper zu gehören schien.
    »Darf ich mal sehen?«, fragte Arthur zu Mias Überraschung.
    Als sie zögernd nickte, schob er das mit eisgekühltem Gel gefüllte Plastiktütchen auf ihrem Fuß zur Seite und betrachtete die violette Schwellung rund um ihren Knöchel, die bereits von Tennisballgröße auf Golfballgröße geschrumpft war. Es war der erste Tag, an dem Mia versuchshalber den Verband weggelassen hatte, der Fuß fühlte sich dadurch beweglicher, aber auch verletzlicher an. Arthur ging jedoch sehr behutsam vor, bemüht, Mia keine Schmerzen zu bereiten.
    »So schlimm sieht es gar nicht aus«, stellte er sachlich fest. »Aber mehr als eine Woche brauchst du garantiert noch. Ich würde fast sagen, noch zwei Wochen, dann bist du wieder fit.«
    Mia zog ihre Stirn in Falten. »Bist du in deinem Zweitleben etwa Arzt?«, fragte sie genervt.
    »Nein.« Arthurs Blick gestattete nicht einmal den Gedanken an weitere Fragen oder Bemerkungen.
    Zu Mias Erleichterung klingelte es erneut an der Tür. Nun musste sie sich nicht weiter mit diesem seltsamen Arthur abplagen. Sie machte Anstalten, sich vom Sofa zu erheben, aber Arthur war schneller.
    »Bleib du mal schön, wo du bist«, sagte er und ging in den Flur.
    »Das ist meine Nachbarin Frau Schmidt«, rief Mia ihm hinterher. »Sie hat für mich eingekauft.«
    Arthur öffnete die Tür. »Guten Tag«, hörte sie ihn sagen.
    Die Zimmertür war halb zugefallen und Mia sah nicht, was im Flur geschah.
    »Sie sehen nicht aus wie Frau Schmidt«, fuhr Arthur mit leicht belustigtem Unterton fort.
    »Ich bin auch nicht Frau Schmidt«, ertönte eine andere Männerstimme. »Und Sie sehen nicht aus wie Mia. Wer sind Sie dann? Der Krankenpfleger?«
    Der Klang dieser Stimme ließ Mia wie elektrisiert die Wolldecke zur Seite reißen und aufspringen. Ein höllischer Schmerz schoss ihr durch den kranken Fuß und sie stieß einen lauten Schrei aus. Die Wohnzimmertür flog auf.
    »Du sollst doch nicht aufstehen«, sagte Arthur tadelnd.
    »Ist es so schlimm?«, fragte die andere Männerstimme, und Franks blonder Schopf schob sich an Arthur vorbei.
    Mia ließ sich zurück auf das Sofa sinken. Auf einmal fühlte sie sich ganz schwach und zittrig. Frank begutachtete ihren Knöchel, bis Arthur sich beeilte, das Eispack wieder auf ihrem Fuß zu drapieren. Die beiden Männer starrten den Fuß an wie ein Objekt im Museum.
    Mia ertrug es kaum, sie so zu sehen.
    »Weg da, alle beide!«, schrie sie außer sich.
    Erschrocken traten beide Männer einen Schritt zurück. Mia musterte Frank feindselig. Er trug eins seiner geliebten Sprüche-Shirts mit dem Aufdruck »Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden« und sah so vertraut aus, dass es wehtat.
    »Was machst du hier?«, fragte Mia verwirrt und verärgert zugleich.
    »Ich habe Henny bei Max Bahr getroffen«, erklärte Frank, und als er Mias ungläubigen Blick sah, fügte er rasch hinzu: »Sie war da mit so einem komischen Lockentyp unterwegs.«
    »Ach, Dirk Richter.«
    Dass Henny, die zwei linke Hände hatte, mit ihrem neuen Lover im Baumarkt war, klang plausibel. Mia lehnte sich zurück in ihre Kissen.
    »Na ja«, fuhr Frank ein wenig unbehaglich fort. »Sie hat mir erzählt, was passiert ist, und da dachte ich, ich schaue mal vorbei.«
    Er warf Arthur einen abschätzenden Blick zu. Arthur hielt der Musterung statt. Kühl sagte er:
    »Kennen wir uns nicht irgendwoher?«
    »Was?«, fragte Mia entsetzt.
    »Nicht, dass ich wüsste.« Frank setzte eine gleichgültige Miene auf.
    Arthur schaute prüfend in Franks jungenhaftes Gesicht. Die verschwommene Erinnerung an eine freudlose Silvesternacht tauchte vor seinem inneren Auge auf.
    »Klärst du uns mal auf?«, bat Mia, obwohl sie sich fast davor fürchtete, zu erfahren, woher Arthur Frank kannte.
    Arthur hob zu einer Antwort an, als es wieder klingelte.
    »Frau Schmidt«, sagte er munter und wandte sich zum Flur.
    »Frau Schmidt«, seufzte Mia ergeben und schloss die Augen.
    »Ich komme wohl etwas ungelegen, was?« Franks Augen flackerten unsicher.
    »Natürlich kommst du ungelegen«, entgegnete Mia ungerührt und lauschte mit halbem Ohr in den Flur.
    »Guten Tag, Frau Schmidt«, hörte sie

Weitere Kostenlose Bücher