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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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Richter trennten sich. Nachdem Henny auf Arthurs Verschwinden so zornig reagiert hatte, war Mia von der Nachricht nicht überrascht.
    »Er ist ein egoistischer, unreifer kleiner Junge«, wetterte Henny. »Ich kann nicht mit einem Mann leben, der außer seiner Musik nichts im Kopf hat und selbst dann, wenn ich krank bin, nicht da ist und mich umsorgt.« Sie war einige Wochen zuvor am Unterleib operiert worden und beklagte sich später bitterlich darüber, dass Dirk Richter sie kein einziges Mal im Krankenhaus besucht hatte.
    Mia teilte ihre Empörung. Frank war immer für sie da gewesen, wenn sie krank war. Er hatte eingekauft, gekocht und stundenlang an ihrem Bett gesessen und ihr unterhaltsame Geschichten vorgelesen. Sogar Arthur hatte sie besucht und ihr Blumen geschickt. Erstaunlich, dachte Mia, als ihr das jetzt wieder in den Sinn kam, Arthur hatte sich tatsächlich um sie gesorgt. Das passte gar nicht zu seinem sonstigen Verhalten.
    Mia und Henny hockten wie zwei Trauerklöße beieinander, tranken Rotwein, schimpften auf die Männer und bedauerten sich gegenseitig für ihre Fehlgriffe. Als sie bereits bei der zweiten Flasche angelangt waren, sagte Henny: »Lass uns was Schönes machen, Mia. Ich meine, was richtig Schönes. Können wir nicht wegfahren und den ganzen Scheiß hier eine Weile hinter uns lassen?«
    Versonnen nickte Mia. »Urlaub wäre jetzt toll. Last Minute nach Teneriffa. Oder Mallorca. Ballermann 6. Das ganz fiese Programm.«
    »Himmel nein! Da haben wir bloß wieder lauter Kerle am Hals. Und was für welche.« Henny schüttelte sich angewidert. »Nee, lieber was, wo nicht so viele Männer sind.«
    »Wo sind denn nicht viele Männer?« Mias Gedanken waren bereits schwerfällig geworden, doch Henny wirkte noch erstaunlich nüchtern.
    »Zum Beispiel da, wo Pferde sind. Wir könnten irgendwohin zum Reiten fahren.«
    »Reiten ist toll.« Mia nickte mühsam. »Reiten und Meer wäre noch toller.«
    »So, wie auf Spiekeroog damals?«
    »Ja genau, da war es super. Lass uns nach Spiekeroog fahren.«
    Sie fanden die Idee auch noch großartig, als sie wieder nüchtern waren. Henny reichte Urlaub ein, Mia buchte eine der letzten freien Ferienwohnungen des Sommers auf Spiekeroog und mehrere Ausritte auf dem Reiterhof. Schon nach der Buchung fühlte sie sich fröhlich und entspannt, und als sie endlich neben Henny auf der Fähre stand, die sie hinüber auf die ostfriesische Insel brachte, war sie fast euphorisch vor Glück.
    Ihre Wohnung lag mitten in dem kleinen, idyllischen Inseldorf und war einfach, aber gemütlich eingerichtet. Sie hatten eine Terrasse zur Verfügung, von der sie in einen verwilderten Garten voller Rosen blickten. Bei langen Ritten durch die Dünen und am Strand entlang vergaßen sie alle Männer dieser Welt und spürten nur noch die frische, salzige Luft auf ihrer Haut und die schwingenden Bewegungen der Pferde unter sich.
    Nur das Wetter war weniger freundlich als bei ihrer ersten Reise im Mai vor drei Jahren. Es war sehr unbeständig, kräftige Regenschauer wechselten sich mit strahlendem Sonnenschein ab, mal war der Himmel grau verhangen, dann wieder tiefblau. An einem Tag fegte ein so eisiger Wind über den Strand, dass sie sich beim Reiten Wollmützen aufsetzten – und das mitten im Sommer. Die Pferde waren unruhig vom Sturm und so lauffreudig, dass die Reiter Mühe hatten, sie unter Kontrolle zu halten. Später verkrochen Mia und Henny sich nach einer heißen Dusche im Bett und hielten einen ausgiebigen Mittagsschlaf – erschöpft, aber höchst zufrieden.
    Henny wurde gar nicht mehr wach, und so beschloss Mia, alleine ein wenig durchs Dorf zu bummeln und einen Kaffee zu trinken. Sie kehrte in einem kleinen, gemütlichen Café ein und bestellte ein dickes Stück Erdbeertorte und einen Latte macchiato. Mia schlürfte ihren Kaffee und sah zu, wie der Wind die Bäume vor dem Fenster zerzauste.
    Am Tisch neben ihr saß eine ältere Frau, die Zeitung las. Als sie aufstand und zur Toilette ging, fiel Mias Blick auf die Schlagzeile eines Artikels. »Umweltpreis für Elbzeug – Wie eine kleine Hamburger Firma die Bekleidungsindustrie revolutioniert.« Neugierig beugte Mia sich über den Tisch und begann, den Artikel zu lesen.
    »Das ist eine spannende Geschichte, nicht wahr?« Die ältere Frau war unbemerkt zurückgekehrt. »Nehmen Sie die Zeitung ruhig zu sich herüber und lesen Sie den Artikel zu Ende«, bot sie an.
    »Ich bin schon fertig.« Mia zog sich auf ihren Platz zurück. »Ich

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