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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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Planen seiner Flucht ein paar unwesentliche Details vergessen. Entnervt drehte Mia den Autoschlüssel in ihrer Hand hin und her. Einen kurzen Moment lang erfasste sie das kindische Bedürfnis, mit dem Schlüssel den glänzenden Lack der blitzenden Luxuskarossen zu zerkratzen und ihn dann weit wegzuwerfen.
    Sie nahm ihr Handy und wählte Arthurs Nummer. Aber er ging nicht dran. Sie schrieb ihm eine SMS: »Dein Auto parkt vor deiner Tür – Tiefgarage war zu. Wo soll ich mit dem Schlüssel hin?« Sie verzichtete darauf, einen freundlichen Gruß unter den Text zu setzen. Jedes liebevolle Wort war reine Zeitverschwendung.
    Arthur antwortete nicht, weder in den nächsten Minuten noch in den nächsten Tagen. Sie schrieb ihm ein paar Tage später eine Mail, aber auch darauf reagierte er nicht.
    Arthur Kessler hatte sich in Luft aufgelöst.
     

24
     
    »Was für ein kranker Penner!«, empörte sich Henny.
    Sie saßen auf Klappstühlen an der Strandperle, die Füße im Sand vergraben, den Blick auf die Elbe gerichtet, auf der ein Containerschiff von einem Schlepper in den Hafen gezogen wurde. Es war ein ungewöhnlich milder Abend.
    »So ist das halt mit Leuten, die traumatisiert sind.« Annika klang wohlwollender, geduldiger. »Die sind manchmal unberechenbar, besonders, wenn sie mit ihrem Trauma konfrontiert werden.«
    »Eben! Und wenn sie sich deswegen nicht drei Jahre auf die Couch legen, dann bleiben sie so bekloppt«, fuhr Henny ungerührt fort. »Aber welcher Mann begibt sich schon freiwillig in eine Therapie? Da müsste er ja über sich selbst nachdenken. Huuuhhh!«
    Mia stellte sich vor, wie Arthur, der stolze, herablassende Arthur, im Zimmer eines Psychologen saß und aufgefordert wurde, seinen Gefühlen nachzuspüren. Das war eine so lächerliche Vorstellung, dass sie selbst in Mias Kopf nicht richtig Gestalt annahm.
    Arthur hüllte sich seit über einer Woche in Schweigen. Eine Woche, in der Mia zwischen Wut, Ratlosigkeit und Verzweiflung schwankte. Sie war in Gedanken hundertmal ihren gemeinsamen Ausflug durchgegangen, hatte jeden einzelnen Moment immer wieder analysiert. Sie verstand nachträglich, warum Arthur nicht mit ihr den Steilhang hinabgeklettert war. Sie begriff seine Panikattacke auf der Autobahn. Sie glaubte zu wissen, wann er an diesem Tag ängstlich, sehnsüchtig, verzweifelt oder einfach nur nett gewesen war. Aber so sehr sie sich auch anstrengte, sie fand keine Antwort auf die Frage, warum er am nächsten Morgen abgetaucht war.
    »Gut, dass zwischen euch nicht noch mehr gelaufen ist«, stellte Henny erleichtert fest. »Stell dir vor, du hättest dich richtig fett verliebt. Dann wärst du jetzt aber angeschissen.«
    Ein schneller Schmerz schoss durch Mias Brust. Sie nahm schweigend einen tiefen Schluck aus ihrer Bierflasche und vermied es, eine ihrer Freundinnen anzusehen.
    »Oh nein!« Annika und Henny bemerkten es beide gleichzeitig.
    »Sag, dass das nicht wahr ist«, flehte Henny. »Sag bitte, bitte, bitte, dass du dich nicht in dieses Arschloch verknallt hast.«
    Mia schloss die Augen und schwieg.
    »Wann ist das denn passiert?«, fragte Annika erstaunt.
    Mia zuckte mit den Schultern. Sie kam sich so idiotisch vor. »Keine Ahnung. Gemerkt habe ich selbst es erst in der Nacht im Hotel.« Trotzig reckte sie ihr Kinn vor. »Was glaubt ihr wohl, warum ich so sauer bin?«
    »Hat er das gewusst?« Henny traute Arthur offenbar alle Schlechtigkeiten dieser Welt zu.
    »Nein. Ich habe es ihm nicht gesagt, und gemerkt hat er es garantiert auch nicht.«
    Eine hohe Welle, die das Containerschiff erzeugt hatte, schlug gegen die steinige Uferbefestigung. Ein paar Leute, die zu dicht am Wasser saßen, wurden nass und sprangen lachend und kreischend auf.
    »Ein Gutes hat die Sache ja wenigstens«, stellte Annika fest. »Wenn du in Arthur verliebt bist, heißt das ja wohl, dass du über Frank endgültig hinweg bist.«
    Mia seufzte. Warum glaubten immer alle, die Welt sei nur schwarz und weiß? »Nein, ich fürchte, das heißt es nicht. Es heißt nur, dass mein Herz jetzt auch aus anderen Gründen weh tut. Und ich dachte immer, in unserem Alter sei man gegen Liebeskummer immun.«
    Jetzt lächelte Henny nachsichtig. »Ich glaube, Liebeskummer kann man noch mit achtzig haben. Das hört nie auf.«
    »Das sind aber keine schönen Aussichten«, stöhnte Mia. Unvermittelt fügte sie hinzu: »Ich habe übrigens immer noch Arthurs Autoschlüssel. Keine Ahnung, was ich damit jetzt machen soll.« Sie hätte ihn

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