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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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Mia.«
    »Hören Sie, Mia -«, Marlit Kessler brach ab, als Mias Handy klingelte.
    »Wo steckst du denn?«, fragte Henny mit schläfriger Stimme.
    »Ich sitze in einem Café im Dorf.« Mia fiel es schwer, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen.
    »Ich dachte, wir gehen vor dem Abendessen noch ein bisschen am Strand spazieren«, sagte Henny, obwohl sie so klang, als müsse Mia sie zum Strand tragen.
    »Am Strand spazieren?« Mia warf einen zögernden Blick auf Marlit Kessler. Sie wollte diese spannende Unterhaltung nicht so schnell beenden. »Geh doch schon mal vor, ich habe jemanden getroffen und komme später nach.«
    »Getroffen? Wen denn?« Henny gähnte hörbar.
    »Ähm … das wirst du mir jetzt kaum glauben. Aber ich sitze hier mit Arthurs Mutter.«
    »Waaas???« Henny war schlagartig hellwach. Sie schrie so laut ins Telefon, dass Marlit Kessler amüsiert den Kopf hob. »Ach, du meine Güte. Alles klar, Mia, wir treffen uns später. Und ich will nachher jedes Wort hören, das sie gesagt hat, hörst du? JE-DES Wort.«
    Mia legte auf. »Meine Freundin. Sie hat Arthur und Carol damals auch kennengelernt.«
    Marlit Kessler lächelte. »Wie lange bleiben Sie noch auf Spiekeroog, Mia?«
    »Zwei Tage.«
    »Sehr schön. Sie müssen mir den Gefallen tun und mich besuchen kommen. Passt es Ihnen morgen Nachmittag?«
    Mia nickte.
    »Dann sollten Sie jetzt zu Ihrer Freundin gehen und ihr haarklein erzählen, wie die Begegnung mit der Mutter Ihres Liebhabers gelaufen ist.«
    Marlits direkte Art brachte Mia völlig aus der Fassung. Wieder eine Gabe, die Arthur offensichtlich von seiner Mutter geerbt hatte. Mia stand auf.
    »Wissen Sie, das zwischen Arthur und mir ist genau genommen vorbei. Er ist nach diesem kleinen Zwischenfall auf der Autobahn einfach abgehauen. Ich habe seit Wochen nichts von ihm gehört und gehe davon aus, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird.«
    Marlit stand ebenfalls auf und legte Mia eine Hand auf den Arm. »Das war nicht anders zu erwarten. Aber Sie kommen mich trotzdem besuchen, ja?«
    »Ja, sehr gerne.«
    Aufgewühlt ging Mia durch die kleinen Dorfgassen, vorbei an urigen, alten Häuschen und neuen Hotelanlagen, hinein in den kleinen Weg, in dem ihr Ferienhaus lag. Was für ein unfassbar verrückter Zufall, dass sie ausgerechnet hier auf dieser Nordseeinsel Arthurs Mutter getroffen hatte.
     
    Das alte Haus lag am östlichen Rand des Dorfes. Es war im inseltypischen Stil erbaut, weiß getüncht mit grünen Holzgiebeln und einer verglasten Veranda mit Sprossenfenstern. Es lag etwas zurückgesetzt, eingerahmt von hohen Birken. Der Zaun wurde von Heckenrosen überwuchert, vor dem Eingang standen bunte Keramiktöpfe, in denen Kapuzinerkresse und Lavendel blühten, im Garten entdeckte Mia eine eigenwillige Skulptur aus rostigem Metall. Erstaunt las sie den Namen unter der Klingel: Kessler . Familie Kessler gehörte das Haus. Natürlich, das passte! Arthur, der verwöhnte Sohn aus reichem Hause. Wo überall besaßen die Kesslers wohl noch Immobilien? In der Schweiz? In Frankreich? Italien? Mia fragte sich, was sie eigentlich hier tat. Sie wappnete sich für einen kurzen, anstrengenden Anstandsbesuch.
    Marlit Kessler trug an diesem Tag ein langes, wallendes Gewand in schillernden Blau- und Grüntönen, das sie zwar nicht weniger elegant, aber deutlich unkonventioneller als am Tag zuvor erscheinen ließ. Ein meergrünes Tuch, das ihre Augen zum Leuchten brachte, hielt ihr Haar aus dem Gesicht.
    »Dieses Haus hat schon meinen Eltern gehört«, erklärte sie voller Stolz. »In den fünfziger und sechziger Jahren betrieben sie hier eine kleine Frühstückspension. Später bauten wir es zu unserem privaten Ferienhaus um.« Marlit Kessler klang überhaupt nicht wie eine Frau, für die Geld etwas Selbstverständliches war.
    »Dann sind Sie auf Spiekeroog aufgewachsen?«, fragte Mia.
    »Nein, wir lebten auf dem Festland, in Oldenburg. Meine Eltern zogen erst nach Spiekeroog, als ich bereits meine Ausbildung begann. Es war ein wagemutiger Schritt, in ihrem Alter noch einmal neu anzufangen. Aber damals herrschte irgendwie mehr Pioniergeist, die Leute riskierten einfach was, um sich ihre Träume zu verwirklichen. Aber es war hart. Reichtümer häuften wir nicht an.« Sie gab sich einen Moment ihren Erinnerungen hin. »Ich war jeden Sommer mit den Kindern hier und habe meinen Eltern geholfen. Als mein Vater starb, gab meine Mutter die Pension auf. Einige Jahre vermieteten wir die obere Etage noch als

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