Echo der Liebe
Tüte.
"Echo", bat Rance. "Sieh mich an."
Ihm zu gehorchen, war nicht leicht. Denn noch bevor er die Worte aussprach, kannte sie sie schon.
"Das zwischen uns geht viel zu schnell", erklärte er.
Natürlich hatte er recht. Echo war ganz und gar seiner Meinung. Zugleich kam es ihr so vor, als ob sich der Boden unter ihren Füßen auftat und sie über einem schwarzen Abgrund hing und sich nur an der Theke festklammern konnte. Ihre Knöchel schmerzten, so krampfhaft hielt sie sich fest. "Ja."
Rance sah gequält und sehr ernst aus. "Du sollst nur wissen, dass es nichts mit dir zu tun hat, Echo."
Es hat nichts mit dir zu tun. Die klassische Ausrede.
Dasselbe hatte Justin gesagt, nachdem er sie vor dem Altar hatte stehen lassen. Allein in dieser fremden Stadt, in ihrem Hochzeitskleid und mit einem billigen Plastikblumenstrauß. Wie sollte das nichts mit ihr zu tun haben? Sie war doch keine Zuschauerin, die von den Umständen unberührt blieb - im Gegenteil.
"Klar", murmelte sie bitter. "Es geht immer nur um dich, nicht wahr, Rance?"
Unter seiner Bräune erblasste er. "Echo ... ", begann er.
Sie schob ihm die Plastiktüte mit dem Buch hin. "Raus", sagte sie.
"Echo ... ich ... hör mich doch an."
"Geh einfach. Bitte."
Zumindest habe ich in Avalon eine Freundin, dachte Echo. Dann kam ihr Cora in den Sinn. Gut, zwei Freundinnen, und beide vermutlich nur vorübergehend.
Ohne ein weiteres Wort verließ Rance den Laden. Keine fünf Minuten später erschien Cora. Diese Frau musste einen Radar haben.
"Was ist los?", wollte sie ohne lange Vorrede wissen.
Am liebsten hätte Echo geseufzt oder sogar geweint, doch sie riss sich zusammen und ordnete Bücher, die bereits geordnet waren. "Genau das, womit ich hätte rechnen müssen", antwortete sie, da es offenbar sowieso unmöglich war, vor Cora ein Geheimnis zu bewahren. Außerdem war sie die ganze Sache leid. "Rance ist der Meinung, dass das zwischen uns zu schnell geht. Und dass es natürlich nicht an mir liegt."
Nachdenklich runzelte Cora die Stirn. "Ich sollte von diesen Liebeszauber-Leuten mein Geld zurückverlangen."
Da öffnete Echo die Kasse, nahm zwanzig Dollar heraus und reichte sie Cora. Unter anderen Umständen wäre sie angesichts Coras Miene in lautes Gelächter ausgebrochen.
Cora starrte das Geld an. "Was …"
"Nimm es."
"Aber ..."
"Ich habe dir den Liebeszauber verkauft, Cora. Das ist meine Website."
"Du bist ...?"
"Das bin ich", bestätigte Echo. "Du hast doch vorhin die vielen kleinen Päckchen gesehen. jedes davon steht für einen hoffnungsvollen Kunden."
Diese Neuigkeit zauberte ein Lächeln auf Coras Gesicht. "Verflixt und zugenäht", lachte sie. "Wenn das kein Zufall ist!"
"Ich bin eine Betrügerin", murmelte Echo grimmig. "Ich sollte jedem einzelnen Kunden sein Geld zurückzahlen. Das kann ich allerdings nicht tun, weil ich jeden Cent in die Buchhandlung gesteckt habe. Aber zumindest kann ich alle künftigen Bestellungen ablehnen - und die Website schließen."
"Moment mal! Auf der Seite steht doch Bestellen auf eigene Gefahr'. Inwiefern solltest du da eine Betrügerin sein?", protestierte Cora heftig.
"Ich habe mich als eine Art Liebesexpertin verkauft. Echo lachte leise. "Was für ein Witz."
"Hast du die ganzen Empfehlungsschreiben nur erfunden? Die auf der Internetseite, meine ich? Mich hat vor allem das von E. Simmons aus Trenton, New Jersey, sehr berührt."
"Selbstverständlich nicht." Echo versuchte, sich daran zu erinnern, was E. Simmons geschrieben hatte. "Das wäre doch unehrlich!"
Cora kicherte und drehte sich zum Schaufenster. Lange starrte sie auf die leere Stelle, auf der gerade noch der riesige, hässliche Wagen von Rance gestanden hatte. Dann lächelte sie geheimnisvoll und schob Echo die zwanzig Dollar zurück. "Nun, hier kommt eine Empfehlung von C. Tellington aus Indian Rock, Arizona. Es ist nicht vorbei, bis es vorbei ist."
"Wovon redest du?", fragte Echo, obwohl sie befürchtete, die Antwort zu kennen. Sie hätte es von Anfang an wissen müssen, doch sie war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich um Avalon zu kümmern und den Laden zu renovieren, um darauf zu achten.
Cora schien durch sie hindurchzuschen. "Die Herzen der Menschen sind wie Tassen", sinnierte sie leise. "Sie werden von einem zum anderen gereicht, immer in der Hoffnung, gefüllt zu werden. Mit der Zeit bekommen sie Risse, und manchmal zerbrechen sie auch. Manche Leute werfen sie weg, weil sie glauben, dass der Schmerz dann aufhört. Diese
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