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Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Titel: Echo des Blutes: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Straße. Also musste sie noch in der Nähe sein. Ich ging davon aus, dass sie wieder in den Imbiss oder das Wohnhaus zurückgekehrt war, und dachte, ich hätte sie verpasst. Dann wanderte mein Blick zu dem Haus und … und ich sah sie dort am Boden liegen.« Albrecht stockte kurz.
    »Und den Angreifer haben Sie nicht gesehen?«, fragte Westbrook.
    »Nein, Ma’am. Ich habe ihn nicht gesehen. Jedenfalls nicht sofort.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich meine, ich habe ihn nicht mit eigenen Augen gesehen.«
    Westbrooks Blick wanderte zu Jessica und dann zurück zu Albrecht. »Könnten Sie sich etwas konkreter ausdrücken?«
    »Ich wusste nicht, dass die Kamera schon lief.«
    »Was?«, fragte Westbrook, die allmählich ungeduldig wurde.
    »Als ich die Kamera auf das Stativ gestellt habe, muss ich wohl auf den Auslöser gedrückt haben. Ehrlich gesagt muss ich mich noch an die Kamera gewöhnen. Sie ist nagelneu. Ich bin versehentlich an den Startknopf gekommen. Das ist mir ein bisschen peinlich, aber genau so war es.«
    »Was sagen Sie da?«, fragte Jessica.
    »Ich hab mir die Szene gerade angesehen, und ich glaube, wir haben ihn.«
    »Wen?«
    David Albrecht hielt die Kamera hoch. »Ich glaube, wir haben den Mörder auf Video.«

53.
    Christa-Marie Schönburg saß in einem großen burgunderroten Ledersessel und hatte die Hände im Schoß gefaltet. Sogar von der anderen Seite des Raumes aus nahm Byrne als Erstes ihre wunderschönen hellbraunen Augen wahr. Sie waren ihm schon vor zwanzig Jahren aufgefallen und hatten sich trotz der zwei Jahrzehnte, die vergangen waren, nicht verändert. Zwei schwierige Jahrzehnte, in denen sie die Haftstrafe und die Behandlung in der psychiatrischen Klinik ertragen und gegen vermeintliche Dämonen ankämpfen musste, hatten ihr keineswegs einen harten Blick verliehen. Die Augen einer jungen Frau – noch immer so faszinierend wie damals, als Christa-Marie der hellste Stern am Firmament der klassischen Musik war – schauten ihn an.
    Ihr Haar schimmerte in einem sanften Silberton. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug aus Seide. Auf dem Tisch neben ihr lagen eine Brille und ein aufgeschlagenes Buch.
    Als Byrne auf sie zuging, stellte er fest, dass ihm die Worte fehlten. Welche Macht übte sie auf ihn aus?
    Christa-Marie stand auf. Sie war noch immer so schlank wie damals, doch als Byrne nun vor ihr stand, sah er die feinen Falten auf ihrem Gesicht, der Stirn und der dünnen Haut ihrer Hände. Mit den langen seidigen Haaren, die ihr bis auf die Schultern fielen, war sie dennoch eine schöne Frau. Vielleicht sogar noch eleganter als vor zwanzig Jahren.
    Byrne erinnerte sich an die Nacht, als er ihr die Handschellen angelegt hatte.
    Er reichte ihr die Hand. Fast hätte Byrne sich zu ihr vorgebeugt und sie auf die Wange geküsst. Im letzten Augenblick begriff er, dass das – gelinde gesagt – unangebracht wäre. Dennoch hätte er es gerne getan. Dann nahm Christa-Marie ihm die Entscheidung ab. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
    Bei ihrer letzten Begegnung war sie achtundzwanzig Jahre alt, und jetzt ging sie auf die fünfzig zu. So vieles, was sich in diesen Jahren im Leben eines Mannes oder einer Frau normalerweise ereignete, hatte sie nicht erlebt oder musste sie verschieben. Byrne fragte sich, welchen Eindruck er wohl auf sie machte und wie stark die Spuren, die der Job, die Gewohnheiten und das Leben auf seinem Gesicht und Körper hinterlassen hatten, das Bild von ihm veränderten, das ihr von jenem Tag im Jahr 1990 in Erinnerung geblieben war.
    Ohne ein Wort zu sagen, deutete sie auf den zweiten Sessel am Fenster, der etwa zwei Meter entfernt stand. Byrne nahm Platz, ohne sich anzulehnen. Stattdessen rückte er ein Stück nach vorn, wie man es vielleicht bei einem Bewerbungsgespräch getan hätte. Im Hintergrund spielte leise Musik. Es war ein Cellostück mit Klavierbegleitung.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Christa-Marie das Wort ergriff.
    »Das war ihre letzte Studioaufnahme«, sagte sie.
    »Wen meinen Sie?«
    »Jackie du Pré. Sie hat 1973 eine Tournee gemacht, und die Kritiker fielen schonungslos über sie her. Ich frage mich, was sie über mich gesagt hätten.«
    Nachdem Christa-Marie 1990 verurteilt worden war, hatte Byrne ein paar Bücher über sie gelesen. Die Vergleiche mit Jacqueline du Pré drängten sich einerseits zwar auf, entbehrten aber andererseits jeder Grundlage. Auf ihrem letzten Konzert konnte Jacqueline du Pré aufgrund

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