Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Wärme, die die Geräte ausstrahlen – ich wärme immer alles mindestens eine Stunde vor einer Session vor –, treibt mir Schweißperlen auf die Stirn. Vielleicht ist es auch nur die Vorfreude.
Beckman ist an den Tisch gefesselt. Ich habe ihm Klebeband auf den Mund geklebt. Sein Kopf steckt in einer neurochirurgischen Kopfzwinge. Dieses Präzisionsgerät wird benutzt, um den Kopf des Patienten während eines stereotaktischen Eingriffs zu fixieren, bevor die Elektroden platziert werden. Bei dieser OP muss der Kopf absolut unbeweglich sein. Vor einem Jahr habe ich das Gerät bei einer deutschen Firma bestellt und per internationaler Postanweisung bezahlt. Ich habe es über mehrere Nachsendeaufträge erhalten.
Ich streife einen Operationskittel über, stelle mich neben den Tisch und klappe ein scharfes Rasiermesser auf. Mit dem Zeigefinger der linken Hand drücke ich auf die weiche Haut auf der Stirn des Mannes. Beckman brüllt in den Knebel, doch es ist nichts zu hören.
Das wird sich ändern.
Mit sicherer Hand füge ich ihm einen ersten Schnitt auf der Stirn zu, genau unterhalb des Haaransatzes. Ich lasse mir Zeit. Ich schaue zu, wie die Haut sich langsam teilt und das glänzende rosafarbene Gewebe darunter sichtbar wird. Die chirurgische Kopfzwinge funktioniert hervorragend. Der Mann kann den Kopf keinen Millimeter bewegen. Mit einem Fußpedal drücke ich auf Aufnahme und ziehe ihm anschließend den Knebel aus dem Mund.
Der Mann schnappt nach Luft. Aus den Mundwinkeln rinnt rosafarbener Schaum. Er hat sich auf die Zunge gebissen.
Er beginnt zu schreien.
Ich überprüfe die Lautstärke und reguliere sie ein wenig. Beckmann schreit wie am Spieß. Jetzt rinnt über beide Seiten seines Gesichts Blut auf den polierten Stahltisch und tropft dann auf den lackierten Boden.
Ein paar Minuten später wische ich das Blut mit einem Alkoholtupfer von Beckmans Stirn. Ich beginne mit der Arbeit an seinem rechten Ohr. Als ich fertig bin, nehme ich ein Maßband, messe von dem Schnitt auf der Stirn hinunter zum Ohr und markiere die Stelle mit einem roten Filzstift. Dann nehme ich das zweite Mordinstrument in die Hand und halte es ins Licht. Der Bohrer aus Carbonstahl schimmert dunkelblau.
Nach einem letzten Check der Lautstärke beginne ich mit dem vorletzten Akt. Bedächtig und besonnen – largo , könnte man sagen – fahre ich fort, in der Gewissheit, dass nur ein paar Schritte von hier auf der anderen Seite der Mauer das Leben in der Stadt Philadelphia seinen Lauf nimmt, ohne dass sie etwas von der Symphonie ahnt, die in diesem unscheinbaren Haus komponiert wird.
Sind nicht die größten Kunstwerke der Geschichte in bescheidener Umgebung entstanden?
Klipp-klapp, klipp-klapp.
Ich bin der rhythmische Tod.
Als der Bohrer die höchste Drehzahl erreicht und die rasiermesserscharfe Spitze sich der Haut nähert, die den Stirnknochen genau über dem rechten Auge bedeckt, erreichen die Schreie von Kenneth Arnold Beckman ein wunderbares Volumen, eine zweite Oktave. Die Stimme trifft nicht den richtigen Ton, aber das kann ich später noch korrigieren. Im Augenblick besteht kein Grund zur Eile. Nicht im Geringsten.
Wir haben den ganzen Tag Zeit.
4.
Sophie Balzano saß am einen Ende der langen Couch und sah noch kleiner aus als sonst.
Jessica betrat das Sekretariat, sprach mit der Sekretärin, betrat dann das Büro und sprach mit einer von Sophies Lehrerinnen der Sonntagsschule. Nach dem kurzen Gespräch kehrte sie zurück und setzte sich neben ihre Tochter. Sophie starrte auf ihre Schuhe.
»Möchtest du mir erzählen, was passiert ist?«, fragte Jessica.
Sophie zuckte mit den Schultern und schaute aus dem Fenster. Sie hatte langes Haar, das mit einer hübschen Spange im Nacken zusammengehalten wurde. Die Siebenjährige war etwas kleiner als ihre Freundinnen, dafür aber schnell und clever. Jessica war ohne Schuhe circa eins zweiundsiebzig, und sie hatte diese Größe irgendwann zwischen der sechsten und siebten Klasse erreicht. Sie fragte sich, ob es ihrer Tochter ähnlich ergehen würde.
»Schatz? Du musst Mama sagen, was passiert ist. Ich kann dir nur erklären, wie du es beim nächsten Mal besser machen kannst, wenn ich weiß, was passiert ist. Deine Lehrerin hat gesagt, du hast gerauft. Stimmt das?«
Sophie nickte.
»Hast du dir wehgetan?«
Sophie schüttelte den Kopf, allerdings recht verhalten. »Nein, es ist alles in Ordnung.«
»Sprechen wir im Auto darüber?«
»Okay.«
Als sie die Schule verließen, sah
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