Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
dreihundertneunzig Dollar Strafe zahlen muss. Dreihundertneunzig Dollar. «
Der Mann kippte den Drink herunter und spülte mit einem Schluck Bier nach.
»Diese Scheißstadt. Dieses verdammte Parkraumamt. Das ist die reinste Mafia. Die nehmen dich aus wie eine Weihnachtsgans.«
Detective Kevin Byrne schaute auf die Uhr. Es war Viertel vor zwölf. Die Stadt erwachte zum Leben. Der Typ neben ihm war nach seinem dritten Jim Beam zum Leben erwacht. Der Mann jammerte in einer Tour. Er meckerte über seine Frau (fett, laut und faul), über seine beiden Söhne (ebenfalls faul, keine Angaben zu ihrem äußeren Erscheinungsbild), über sein Auto (einen Chevrolet Prizm, der es gar nicht wert war, ihn auszulösen) und seinen ständigen Kampf mit dem für das Parken zuständigen Amt von Philadelphia. Das Amt hatte nicht viele Fans in der Stadt. Ohne das Amt wäre allerdings das Chaos ausgebrochen.
Sie saßen an der Theke von The Well, einer kleinen Eckkneipe in Kensington. Das Lokal war halb voll. Die Jukebox spielte Kool & the Gang. Über der Theke hing ein Fernseher. ESPN brachte eine Zusammenfassung der Sportereignisse des Tages.
Byrne steckte die kleinen Kopfhörer ins Ohr, blendete das Gezeter des Falschparkers aus, schaute auf das Display seines iPods und wählte die Playlist mit den klassischen Bluestiteln aus. Die Jukebox in der Kneipe spielte nun etwas von den Commodores. In Byrnes Kopf war es 1957, und Muddy Waters ging nach Louisiana und erzählte etwas von mojo hand .
Byrne nickte dem Wirt zu, der ebenfalls nickte. Byrne war nie zuvor in dieser Kneipe gewesen, doch der Wirt war ein Profi in seinem Job, und das war Byrne auch.
Byrne war in Süd-Philadelphia aufgewachsen. Er hatte sein ganzes Leben dort verbracht und die besten und schlechtesten Tage der Stadt miterlebt. Nun ja, vielleicht nicht ihre besten. Immerhin war an diesem Ort die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet worden. Hier hatten sich die Gründungsväter zusammengesetzt und die Gesetze ausgearbeitet, nach denen die Amerikaner, zumindest bis zu einem gewissen Grad, noch heute lebten.
Andererseits hatten die Phillies die World Series 2008 gewonnen, und für einen Phillies-Fan war das viel wichtiger als irgendein verblichenes, altes Dokument.
Byrne hatte schon in Tausenden von Verbrechen ermittelt, Hunderte von Mordfällen bearbeitet und fast sein halbes Leben unter Toten, zerbrochenen Seelen und Vergessenen verbracht.
Wie lautete das Zitat von Thomas de Quincey noch gleich?
Sobald ein Mensch einen Mord begeht, findet er einen Diebstahl nicht mehr so schlimm. Und vom Stehlen kommt er zum Trinken und zum Sabbatschänden und von dort zur Unhöflichkeit und zu der Unart, alles aufzuschieben.
Byrne hatte seinen eigenen Begriff dafür.
Schlamperei.
Für Kevin Byrne bedeutete dieses Wort, Verhaltensweisen zu akzeptieren, die vorherige Generationen als undenkbar angesehen hätten, Standards, die allmählich die Norm geworden waren, neue Tiefpunkte, an denen der Kreislauf wieder beginnen konnte, wobei die Spirale immer weiter abwärts führte.
In letzter Zeit musste er ständig an die unschuldigen Opfer denken, deren Tod ungerächt blieb. Er dachte an das kurze, unbedeutende Leben der dreijährigen Kitty Jo Morris, die vom Freund ihrer Mutter verbrüht worden war, was zu ihrem Tod führte. Der Mann war wütend, weil das kleine Mädchen immer die Fernbedienung verbummelte. Und Byrne dachte an Bonita Alvarez, noch keine elf Jahre alt, die vom Dach eines dreigeschossigen Hauses in North Philly gestoßen worden war, weil sie einen der Rice Krispies Treats ihrer älteren Schwester im Besenschrank versteckt hatte. Und an Max Pearlman, achtzehn Monate alt, den sein Vater im Januar über Nacht im Auto hatte sitzen lassen, während er unter der Platt Bridge Crack rauchte.
Diese Fälle schafften es nicht in die Schlagzeilen. Auch nicht in die NBC-Dokureihe White Paper über den Zustand amerikanischer Familien. Nur der Platz auf den Friedhöfen war danach etwas weniger geworden. Es waren nur Schlampereien.
Jetzt war es in Byrnes Kopf 1970. Die Blues-Legende Willie Dixon behauptete, nicht abergläubisch zu sein. Das war Kevin Byrne auch nicht. Er hatte zu viel gesehen, um noch an etwas anderes als an Gut und Böse zu glauben. Und das Böse war in diesem Raum, dachte Byrne, als er den Mann auf der anderen Seite der Theke beobachtete. An den Händen dieses Mannes, eines Mörders namens Eduardo Robles, klebte das Blut von mindestens zwei Menschen.
An einem
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