Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
vornehmen, Autopsieberichte schreiben, als Experten vor Gericht aussagen und Trauerbeistand für betroffene Familienangehörige leisten.
Während Jessica und Byrne im Vorraum neben dem Obduktionssaal warteten, brachten ihnen die unzähligen Insekten, die von den großen Insektenfallen – rechteckigen blauen Lampen an der Wand – angezogen wurden, ein Ständchen. Das ständige Summen der Fliegen, größtenteils Schmeißfliegen, die auf den Lampen geröstet wurden, war nervtötend.
Jessica schaute auf den Plan an der Wand, auf dem die in der vergangenen Woche durchgeführten Obduktionen standen. Schließlich kam Tom Weyrich zu ihnen.
»Das verstehe ich nicht, Tom«, sagte Jessica. »Auf dem Plan stehen zwölf Obduktionen, aber nur elf Namen.«
»Das möchten Sie bestimmt gar nicht wissen«, sagte Weyrich.
»Jetzt muss ich es wissen. Ich bin von Natur aus neugierig.«
Weyrich strich sich übers Kinn. Er hatte sich heute Morgen vier Mal beim Rasieren geschnitten. »Sind Sie sicher?«
»Jetzt sagen Sie schon.«
»Okay, letzte Woche bekamen wir einen Anruf von der Universität. Offenbar hatte jemand ein inneres Organ auf die Eingangstreppe der Tanenbaum Hall geworfen.«
In der Nicole E. Tanenbaum Hall an der University of Pennsylvania befand sich unter anderem die Biddle Law Library.
»Jemand hat da Körperteile hingeworfen?«
Weyrich nickte. »Was für eine Welt, was?«
»Was für eine Stadt .«
»Wir mussten das Ding jedenfalls wie die sterblichen Überreste eines nicht identifizierten Verstorbenen behandeln. Wir haben alle üblichen pathologischen Tests und Untersuchungen durchgeführt.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum auf dem Plan kein Name steht. Konnten Sie die sterblichen Überreste niemandem zuordnen?«, fragte Jessica.
»Ja und nein.«
»Tom.«
»Es war der Magen einer Kuh.«
Jessica wechselte einen Blick mit Byrne. Er lächelte und schüttelte den Kopf.
»Noch eine Frage«, sagte Jessica.
»Okay.«
»Hat die Untersuchung interessante Erkenntnisse gebracht?«
»Sehr komisch«, sagte Weyrich. »Mit diesem Job habe ich das Studium meiner beiden Kinder an der Villanova University finanziert.«
Jessica gab sich geschlagen und hob die Hände.
»Ich muss Ihnen etwas zeigen.« Weyrich schob einen Leichnam in die Mitte des Vorraums.
Der Leichnam von Kenneth Arnold Beckman lag ausgestreckt auf dem Stahltisch und war bis zur Brust mit einem Laken bedeckt.
Weyrich richtete das Oberlicht auf die rechte Hand des Opfers. Er streifte einen Handschuh über und zog die Finger vorsichtig zurück.
»Ich wollte, dass Sie sich das hier mal ansehen«, sagte er und deutete auf eine winzige Zeichnung auf der Fingerkuppe des rechten Zeigefingers, die ungefähr ein mal zwei Zentimeter groß war.
»Was ist das?«, fragte Jessica.
»Ob Sie es glauben oder nicht, es ist ein Tattoo.«
»Auf seinem Finger?«
»Auf seinem Finger. Als wir die Hände gereinigt haben, um die Fingerabdrücke zu nehmen, haben wir es entdeckt.«
Jessica ärgerte sich, dass sie es am Fundort übersehen hatte. Sie setzte ihre Brille auf und schaute sich das Tattoo genauer an. Es handelte sich um einen stilisierten Löwen. Die kräftigen Farben und die kräftigen Ränder erinnerten an ein Bild im Malbuch eines Kindes.
»Ich habe das Vorstrafenregister dieses Mannes gelesen«, sagte Jessica. »Ich hatte nicht den Eindruck, als würde dieser Typ auf Tattoos stehen.«
»Dafür können sich Menschen aus allen Schichten begeistern«, sagte Weyrich. »Ich habe eine Probe genommen und sie ins Labor geschickt. Die Kollegen müssten uns sagen können, was für eine Tinte benutzt wurde.«
»Sie haben eine Probe genommen?«, fragte Jessica. »Eine Hautprobe?«
»Das ist kein echtes Tattoo, es ist ein Abziehtattoo.«
Jessica schaute es sich noch einmal an. Da es sehr klein war, konnte sie aus dieser Entfernung den Unterschied nicht erkennen. Weyrich reichte ihr eine starke Lupe. Jessica betrachtete aufmerksam das Bild des Löwen. Die Tinte und die kräftige Farbe standen in starkem Kontrast zu der blutleeren, bleichen Haut des toten Mannes.
»Es ist nicht mehr feucht, oder?«
»Nein«, sagte Weyrich. »Aber es ist neu. Ich würde sagen, es wurde vor weniger als zweiundsiebzig Stunden auf die Haut geklebt.«
Als Kind ging Jessica manchmal in das kleine Kaufhaus in South Philly und kaufte kleine Tattoos, die man nur feucht machen musste und dann auf die Haut kleben konnte. Wenn man ein oder zwei Mal durch den Rasensprenger lief oder
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